: Bedrohtes Kleinod Sendesaal
Betr: „Aus alt mach weg“, taz Bremen vom 23.03.2004
Es war einmal eine Stadt, die war ein bekanntes Ziel für die Stadtmusikanten der Welt. Und sie kamen und spielten viele Konzerte. Und die Stadt war stolz auf sie und freute sich an ihrer Musik. Aber dann kam eine Zeit, wo manche Leute in dieser Stadt ihre Freude an der Musik vergaßen. So waren sie zwar noch stolz auf den Ruhm, den die Stadtmusikanten brachten – und sie bewarben sich sogar mit ihnen um den Rang einer Kulturhauptstadt –, aber sie wollten den Stadtmusikanten den Sendesaal, in dem sie so gern spielten, einfach wegnehmen und abreißen. Sie sagten ihnen, sie müssten Kosten sparen und deswegen zusammen mit ihrem Radiosender umziehen. Sie versprachen ihnen auch, einen neuen Saal zu bauen. Aber die Stadtmusikanten wollten nicht weg aus dem Sendesaal. Sie sagten, es könne keinen besseren Ort zum Musizieren geben. Die Akustik sei hervorragend. Und es sei darin ganz still, kein Auto, kein Flugzeug, kein Schiff zu hören. Und die Stadtmusikanten waren nicht dumm. Sie waren sich sicher, dass bei all dem Sparen nichts Brauchbares herauskommen würde, was ihren alten Saal ersetzen könnte. Da kamen die Musikanten zusammen und beschlossen, die Stadt, die sie einst so freundlich aufgenommen hatte, zu verlassen. Die Leute sollten sehen, wie erschreckend still es ohne Musik um sie war. Und so wurde es auch nichts mit der Kulturhauptstadt. Am Ende waren alle sehr traurig.
Der Prophet gilt im eigenen Lande nichts. Das ist seit zweitausend Jahren bekannt. Dass der Sendesaal von Radio Bremen in der eigenen Stadt nichts gilt, ist erst in jüngerer Zeit immer klarer geworden. Der Prophet kann das Land verlassen, der Sendesaal täte das in Anbetracht der Planungen vielleicht auch gern. Denn dem Stand der Diskussion kann man entnehmen, dass sein Abriss offenbar schon besiegelt ist, auch wenn noch Finanzlöcher fleißig gestopft werden müssen. Fachlich gibt es keinen Zweifel an den Qualitäten des Saales, das belegen seine Auslastung für Konzerte und Aufnahmen sowie Untersuchungen von Akustikern, ja, selbst als „Kulturdenkmal“ ist sein Wert festgestellt. All das wird ignoriert. Als Fachmann aus dem fernen Nordrhein-Westfalen kann ich das nur mit großer Verwunderung betrachten. Warum solch ein Kleinod zerstören? Was wird als Ersatz im Anbetracht der absehbaren Sparzwänge zu erwarten sein? ‚Bestenfalls‘ eine kaum funktionsfähige Halle ohne brauchbare Akustik und mit störend hörbarem Geräuschpegel im Inneren. Nichts Besonderes also. Martin Nagorni, Tonmeister, Troisdorf