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Beate Scheder schaut sich in Berlins Galerien um

Als Pasolini im Jahr 1963 für seinen Film „Comizi d’amore“ durch Italien reiste und Menschen zu Liebe und Sex befragte, entstand das Bild eines widersprüchlichen, was die sexuelle Freiheit betrifft, ziemlich rückständigen Landes. Dass Pasolinis absichtlich naive Fragen sich noch heute für eine tiefergehende Auseinandersetzung mit derlei Themen eignen, zeigt Konstanze Schmitt nun in der Galerie Wedding. Primär untersucht die Künstlerin darin, inwiefern die Ideen der romantischen Liebe von den Prinzipien des Kapitalismus durchdrungen sind. Ausgehend von Pasolinis Film befragte sie Weddinger:innen zu ihren Ansichten und förderte einen erstaunlich abgeklärten, pragmatischen Zugang zum Thema zu Tage (bis 28. 03., Di.–Sa. 12–19 Uhr, Finissage + Performance 28. 3. 18 Uhr, Müllerstr. 146–147).

Über die Menschen, die auf eBay Kleinanzeigen persönliche Habseligkeiten verticken, könnte man die tollsten Romane verfassen. Über jene, die im prädigitalen Zeitalter dafür Offertenblätter nutzten, wahrscheinlich erst recht. „Die Zweite Hand“ hieß das Pendant für Westberlin und wurde – so steht es im Text zur aktuellen Ausstellung im Kunstraum Stadium – in dessen heutigen Räumlichkeiten ab 1983 produziert. Irre erfolgreich sogar. Bis zur Kurfürstenstraße standen die Leute einst Schlange, um ja keine Schnäppchen zu verpassen. In Niclas Riepshoffs Annäherung an die Geschichte des Anzeigenblatts verquickt sich diese mit universaleren Ideen zu Privatheit und Öffentlichkeit. Zeitungsseiten mit kleinen LED-Lämpchen, die diese wie Platinen aussehen lassen, hängen an den Wänden, oder wurden in Pappmaché-Leuchten verformt, die den schmalen Ausstellungsraum in schummriges Licht tauchen (bis 28. 3., Sa. 12–18 Uhr und nach Vereinbarung unter mail@stadiumstadium.de, Potsdamer Str. 70).

Die Frage, wie man Sound ausstellen kann, schwingt in allen Arbeiten mit, die derzeit in den Räumen der Zwitschermaschine zu sehen sind. Noch bis zum 18. März ist dort SoundsAbout des UdK-Masterstudiengangs Sound Studies zu Gast. Bei meinem Besuch vergangene Woche lief noch die wahrhaft die Sinne verwirrende Duoausstellung „Force to its contents“ von Kayla Elrod und Kim Wichera – samt Drehmaschine und hypnotisierendem Glücksrad. Ab heute erklingt dort „Exile“, eine Soundinstallation von Francisco Riffo zur Geschichte chilenischer Einwander:innen nach 1973, am Dienstag folgt zum Abschluss Kirstine Elisa Kjeldses auditiv-visuelle Abhandlung zu Parasiten und Verschmutzung des urbanen Raums (Programm: about.sounds.berlin bis 18. 3., Potsdamer Str. 161).

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