Bayrische SPD-Vizechefin Rupp: "Es gibt keine Frauenpolitik der CSU"
Im Regierungsprogramm werde die erwerbstätige Frau nicht erwähnt, bemängelt die Vize-Parteichefin der SPD in Bayern, Adelheid Rupp. Bei der Gleichstellung habe Bayern "großen Nachholbedarf".
taz: Frau Rupp, wie frauenfreundlich ist Bayern?
Adelheid Rupp: Es gibt keine Frauenpolitik der CSU-Regierung in Bayern. Es gibt nicht den Wunsch nach einer Verbesserung des Gleichstellungsgesetzes. Es gibt keine Forderung nach einem Gleichstellungsgesetz für die private Wirtschaft.
Etwas konkreter, bitte.
Hört man Sozialministerin Christa Stevens zu, die sagt, es gebe die klassische Familien-Konstellation, außerdem Patchwork-Familien und dann noch Frauen, die keinen gefunden haben, dann drückt das aus: Frauen haben nur eine Existenzberechtigung, wenn sie eine Familie haben.
Wo muss Bayern im Vergleich mit anderen Ländern aufholen?
Gerade in Hinblick auf die Gleichstellung von Frauen und Männern im Erwerbsleben besteht in Bayern noch ein großer Nachholbedarf. Ein Beispiel: Bei den Einkommen unter 1.000 Euro liegt der Frauenanteil in Bayern bei 75 Prozent. Ein finanziell unabhängiges Leben können Frauen damit kaum führen. Die CSU interessiert dies jedoch nicht.
Nun ja: Sie will das Kindergeld erhöhen und so Erziehungsleistungen besser anerkennen.
Aber in ihrem Regierungsprogramm wird die erwerbstätige Frau nicht erwähnt. Stattdessen stellt sich die CSU gegen die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohn. Dieser würde jedoch gerade erwerbstätigen Frauen zugute kommen. Auch in der Frage der Vereinbarkeit von Beruf und Familie stehen wir ganz schlecht da, weil es in Bayern nach wie vor viel zu wenige Kinderbetreuungseinrichtungen gibt.
Inwiefern?
In Bayern gibt es gerade mal für 25 Prozent der unter drei Jährigen eine Betreuungsmöglichkeit. Zudem konzentrieren sich diese Angebote extrem auf die Großstädte wie München. Die Bundesvorgabe von 35 Prozent ist daher längst nicht erreicht.
Ist denn im Bewusstsein der bayerischen Bevölkerung der Wunsch nach Gleichberechtigung angekommen?
In der Realität von Familien, besonders jüngeren Familien, gibt es ganz starke Veränderungen, allein durch die Tatsache, dass Frauen immer mehr berufstätig und immer besser ausgebildet sind. Dabei hält die CSU aber nicht mit. Eigentlich merkt man bei allem, was frauenpolitisch geäußert wird, den Wunsch nach den fünfziger Jahren, wo alles schön und klar war: Mutti bleibt zu Hause und versorgt die Kinder, Vati geht arbeiten.
Wie geht es alten Frauen derzeit in Bayern?
Besonders in den Randgebieten geht es alten Frauen sehr schlecht. Die Durchschnittsrenten sind sehr niedrig, teilweise sind es nur 350 Euro pro Monat. Insgesamt liegt der Schnitt bei 480 Euro pro Monat in ganz Bayern. Männer haben im Schnitt 300 Euro mehr. Altersarmut ist weiblich, deshalb ist es wichtig, dass Frauen für ihre Arbeit gut entlohnt werden. Denn das wirkt sich später auf ihre Situation im Alter aus.
Geht man von einem konservativen Modell aus, Vati im Büro, Mutti zuhause - müsste dann die Hausfrau- und Muttertätigkeit entlohnt werden?
Das halte ich für einen falschen Ansatz. Frauen müssen am gesellschaftlichen Leben beteiligt und ökonomisch unabhängig sein. Ich bin nicht gegen Partnerschaft oder Ehe, aber das alles muss auf Augenhöhe stattfinden. Und dazu gehört eben auch ein eigenes Einkommen. Wer ökonomisch nicht teilhaben kann, steht immer am Rande der Gesellschaft und ist immer auf die Zuwendung anderer angewiesen.
Also: Mütter, schnell zurück in den Beruf?
Ja, und was dabei noch ein ganz wichtiger Punkt ist, ist eine deutliche Arbeitszeitverkürzung: Mutti arbeitet 30 Stunden, Vati auch, und dann ist das mit der Kinderbetreuung auch besser zu lösen. Dann könnte man noch sagen, Überstunden nur noch in betrieblichen Notzeiten, und es würde sich wirklich etwas verändern.
Etwas verändern würde auch eine privatwirtschaftliche Quote.
Wo wir dringend eine Quote brauchen, ist der Hochschulbereich. Da müsste man ein Kaskadenmodell einführen: Gibt es heute 50 Prozent Studentinnen, dann müssen es künftig auch 50 Prozent wissenschaftliche Mitarbeiterinnen sein; gibt es heute 20 Prozent wissenschaftliche Mitarbeiterinnen, müssen es künftig auch 20 Prozent Professorinnen sein. In Norwegen werden Aufsichtsräte quotiert, das fände ich gut, ebenso jede Art von Gremien, etwa wie den Rundfunkrat. Hat man ein Gleichstellungsgesetz für die private Wirtschaft, soll bei gleicher Qualifizierung selbstverständlich die Bewerberin genommen werden. Bei uns sind allerdings weniger die Beschäftigtenzahlen das Problem, sondern die Führungspositionen. Da sieht es nach wie vor katastrophal aus.
Viele Leute sagen ja, was wollt ihr Frauen eigentlich, jetzt habt ihr eine Bundeskanzlerin. Was wäre denn, wenn Bayern eine Ministerpräsidentin hätte?
Allein die Tatsache, dass eine Frau ein Führungsamt hat, ist nicht schlecht. Das motiviert die eine oder andere zu denken: "Das kann ich auch." Sofort danach steht dann aber die Frage, wie geht sie mit diesem Amt um? Macht sie Politik im Interesse von Frauen? Da habe ich von Angela Merkel bisher noch nichts vernommen.
INTERVIEW: BARBARA STREIDL
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