Bayern München gegen Borussia Dortmund: Im Paralleluniversum

Bayern hat jetzt schon zwei Punkte aus zwei Spielen geholt und wieder mal van Bommel unterwegs verloren. Mit dem 1:1 ist der Meister zufrieden, Gegner Dortmund weniger.

Strahlejürgens unter sich: Bayerns Coach Klinsmann und Borussen-Trainer Klopp. Da hatte die Partie allerdings noch nicht angefangen. Bild: dpa

DORTMUND taz Was ist bloß mit den Bayern los? Zwei Punkte haben sie aus den ersten beiden Partien der neuen Saison geholt, zu wenig für einen Verein mit diesen Ansprüchen. Und was ist aus der Chefetage zu hören? Kein Donnergrollen, kein Lamento - nichts als moderate Töne. Der Polterer Uli Hoeneß, der sich sonst nach ausbleibenden Erfolgserlebnissen lautstark über den Schiedsrichter, die Spieler oder Gott und die Welt beschwert, lächelte nach dem mageren 1:1 in Dortmund in die Kameras und verkündete gut gelaunt, er habe doch schon vor Wochen gesagt, er erwarte einen holprigen Start. "Und den haben wir jetzt." Oder Franz Beckenbauer, Präsident und Überfigur beim Branchenführer: Wie oft hat der Grantler im feinen Zwirn kein gutes Haar an der Mannschaft gelassen, jetzt verkündet er salbungsvoll: "Nach diesem Spielverlauf kann man wirklich zufrieden sein."

Borussia Dortmund: Ziegler - Rukavina, Subotic, Hummels , Schmelzer - Blaszczykowski (77. Owomoyela), Hajnal, Kehl, Kringe - Valdez, Zidan (64. Sadrijaj)

Bayern München: Rensing - Lell, Lucio, van Buyten, Lahm - Altintop (64. Kroos), van Bommel, Ottl, Schweinsteiger - Klose (46. Borowski), Toni (77. Podolski)

Zuschauer: 80.552 (ausverkauft)

Tore: 1:0 Blaszczykowski (8.), 1:1 Borowski (75.)

Offenbar haben sie sich in München darauf verständigt, dem neuen Trainer Jürgen Klinsmann jene hundert Tage Schonfrist einzuräumen, die Politikern in neuen Ämtern zugestanden werden. Der Trainer selbst will so lange nicht warten, er plant für das Heimspiel am Sonntag gegen Hertha: "Es wird Zeit, dass wir mit einem Dreier mal richtig loslegen." Dass die Mannschaft in Dortmund eine Halbzeit lang eine indiskutable Leistung abgeliefert hatte, wurde nicht thematisiert. Umso lieber , der Umstand, in Unterzahl den frühen Rückstand durch ein herrliches Tor von Jakub Blaszczykowski aufgeholt sich nach dem Seitenwechsel zurückgekämpft zu haben. Der eingewechselte Neuzugang Tim Borowski traf zum Punktgewinn.

Dass die Bayern so lange mit einem Mann weniger auskommen mussten, hatten sie ihrem Kapitän zu verdanken. Mark van Bommel war bereits in der 23. Minute vom Platz geflogen, weil er zuerst Sebastian Kehl von den Beinen geholt und sich dann eine Tätlichkeit gegen Tamas Hajnal geleistet hatte. Drei Platzverweise hat van Bommel in seinen letzten zehn Ligaspielen kassiert, doch ein Lerneffekt scheint in weiter Ferne. Vielmehr ist es so, als befände sich der Nationalspieler in einem Paralleluniversum, in dem eine realistische Selbsteinschätzung nicht vorkommt. Van Bommel leidet an einer beunruhigenden Bewusstseinstrübung, er fühlt sich von den Schiedsrichtern verfolgt. "Wenn ein anderer Spieler so etwas macht, passiert gar nichts", verkündete er, "da wird weitergespielt." Auch Klinsmann glaubt nicht, einen Problemfall mit Therapiebedarf im Team zu haben. "Für Mark ist es schwer, weil er immer unter besonderer Beobachtung steht", sagt der Trainer: "Aber emotional bin ich auf der Seite des Spielers, das ist doch ganz klar."

Die Worte hätten auch vom Dortmunder Kollegen stammen können, doch der hatte anderes im Sinn: Jürgen Klopp sprach von einer "gefühlten Niederlage". Ein Beleg für das gewachsene Selbstwertgefühl beim BVB. Eine Halbzeit lang hatte die Mannschaft mitreißend agiert. "Wir haben bombastisch losgelegt, waren lebendig und aktiv", lobte Klopp, "genau so, wie wir es wollten." Doch es ist nun mal so, dass ein Fußballspiel aus zwei Hälften besteht, und in den zweiten 45 Minuten hatten die Männer in schwarz-gelb nicht mehr viel zu bieten. So offensichtlich war der Rückfall in alte Zeiten, dass ein Scherzbold mutmaßte, Thomas Doll habe die Kabinenansprache gehalten. Dem war natürlich nicht so, die Verantwortung trägt Klopp. Der verkündete: "Wir müssen lernen, das, was wir uns vornehmen, 90 Minuten durchzuziehen." Auch Florian Kringe wusste, "dass uns die zweite Halbzeit gezeigt hat, wie viel Arbeit wir noch vor uns haben". Trotzdem fand er: "Wir haben zwei Punkte verloren."

Immerhin konnten sich die Gastgeber auch über viele positive Erkenntnisse freuen. Zum Beispiel über ihren neuen Stürmer Mohamed Zidan, der bei seinem Debüt für den BVB nachwies, wie sehr er das Offensivspiel mit seiner Lauffreude und seinen Dribblings beleben kann. Oder über die Abwehr mit drei Spielern im schulfähigen Alter. Neven Subotic, Mats Hummles und Marcel Schmelzer schlugen sich gegen Kapazitäten wie Toni, Klose und später Podolski prächtig. "Ich weiß schon lange, dass der Jahrgang 1988 ein sensationeller ist", witzelte Klopp, "schließlich ist da mein Sohn geboren." Dortmunds Trainer verkündete dies mit seinem breitesten Grinsen. Es scheint, als hätte der BVB mit seiner neuen Galionsfigur eine neue Leichtigkeit des Seins gefunden, die den Klub noch weit tragen kann.

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