Bauliche Entwicklung: Fiktives Bauen auf fremdem Grund
Die Stadt sucht am Ansgarikirchhof einen Investor für ein großes City-Center. Doch nicht alle Einzelhändler wollen sich schlucken lassen – auch wenn ihre Grundstücke in der Öffentlichkeit bereits als verplant gelten.
BREMEN taz | Braucht Bremen ein großes „City-Center“ in der Innenstadt? Die Planungen für den Neubau am Ansgarikirchhof verzögern sich weiter. Eigentlich sollten die vorausgewählten Investoren schon im April ihre Entwürfe vorgestellt haben.
Jetzt gilt aber der 9. Juli als neuer Stichtag – bis zu dem alle Planungs-Einzelheiten strenger Verschwiegenheit unterliegen sollen. Hintergrund der Probleme ist offenbar die nach wie vor ungeklärte Frage, wie groß das City-Center werden soll – und kann.
Während die Stadt ursprünglich daran dachte, zusätzlich zum Parkhaus Am Brill und dem Lloydhof auch das Gebäude der Galeria Kaufhof einzubeziehen, sind jetzt „nur“ noch die Gebäude von C&A und das Bremer Carree als Erweiterungsflächen im Gespräch.
Allerdings sind auf den Grafiken, wie sie etwa der Weser-Kurier immer wieder präsentiert, auch Flächen als Bebauungsmasse ausgewiesen, über die Bremen gar kein Verfügungsrecht besitzt. Zu den dort rot schraffierten Arealen gehören die Grundstücke von fünf Geschäftsleuten, die noch gar nicht verkauft haben.
Dazu zählt beispielsweise das Schuh-Haus Wachendorf, aber auch das Modehaus Ristedt. Dessen Inhaber, Jens Ristedt, hat keinesfalls vor, den Standort aufzugeben. „Wir sind in fünfter Generation ein Eigentümer-geführtes Geschäft“, sagt er der taz auf Nachfrage. „Das wollen wir auch bleiben.“ An diesem Standort? „An diesem Standort“, bestätigt Ristedt.
Dem Erbe verpflichtet
Statt an einen etwaigen Verkauf denkt Ristedt daran, seinen Kindern die Chance zu erhalten, das Geschäft später zu übernehmen. Seit 145 Jahren verkaufen die Ristedts in Bremen Textilien, Jens Ristedts Großvater eröffnete das aktuelle Haus auf einem Ruinengrundstück. „Diesem Erbe fühle ich mich verpflichtet“, so der Inhaber des Modehauses.
Der 46-Jährige klingt keineswegs wie jemand, der pokert, um einen eventuellen Verkaufspreis in die Höhe zu treiben. Der Geschäftsmann begrüßt, dass in der City etwas passiert, freut sich, dass neue Impulse kommen und dass Bremen im großen Stil einsteigen und sich engagieren will.
Dass sein Grundstück in den Medien schon mehrfach als Bebauungsfläche ausgewiesen wurde, ist die Kehrseite der Medaille. „Ich könnte mich darüber maßlos aufregen“, sagt Ristedt, aber viel wichtiger sei es, „ein klares Signal auszusenden“: Sowohl seinen Kunden als auch seinen 20 MitarbeiterInnen sei er ein „Bekenntnis zum traditionellen Standort“ schuldig. Im übrigen sei man durch stetige Umbauten im Haus „modern und zukunftsfähig aufgestellt“.
Angesichts der zahlreichen Geschäftsaufgaben in der Vergangenheit in seiner Umgebung verweist Ristedt auf die Qualitäten des Inhaber-geführten Einzelhandels: „Solche Geschäftstypen sind doch das Salz in der Suppe einer Innenstadt.“
Der ECE sind die Flächen zu groß
In welcher Größe ein City-Center funktionieren könnte, kann allerdings auch Ristedt nicht einschätzen. Anders die „Einkaufs-Center Entwicklungsgesellschaft“ (ECE), die als heißer Investor gehandelt worden war: Die hatte ihren überraschenden Rückzug im Februar damit begründet, dass die geplanten Einzelhandelsflächen falsch dimensioniert seien – nämlich zu groß. Unter diesen Rahmenbedingungen könne das Projekt nicht erfolgreich sein, erklärten die ECE-Manager, die europaweit immerhin 180 Einkaufszentren betreiben.
Die Ausdehnungs-Strategie der Stadt hingegen fußt auf einer „Vertiefungsstudie zum Kommunalen Zentrenkonzept“. Die hatte Bremen beim Dortmunder Planungsbüro Junker und Kruse bestellt. In ihr heißt es: „Durch die Neuorganisation des Einkaufens um den Hanseaten und den Ansgarikirchhof wird dieser Bereich mehr denn je zum Dreh und Angelpunkt des Geschäftszentrums. Um dies in die städtische Struktur einzupassen, sollen Vorschläge und Ideen erarbeitet werden, die auch die benachbarten Blöcke umfassen.“
Dass diese Strategie erfolgversprechend ist, darf bezweifelt werden. Zumindest aber sollte man die Planungsgrundlage für ein solches Vorgehen korrekt dargestellt werden.
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