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■ Bald auch in Ihrer Stadt: Die Wahl des Mister BierbauchMiß Ballermann im Folterzentrum

Essen (taz) – Folterzentrum Grugahalle. Ein paar tausend Freiwillige hatten vor zwei Stunden für den heutigen Abend 39 Deutschmark pro Nase gezahlt. Deswegen müssen sie nun schwer die Sau rauslassen. Irgendein sonnenöltriefender Mensch mit Tiegelschmalzfrisur grölt auf der Bühne zum Halbplayback: „Jabadi, dadadamm, jetzt geht's lohoos, zickezacke, oj, oj, oj!“

Und in der Tat: Ächzend entert ein Dutzend schwabbelnder Bäuche das Podium. Jeder einzelne dieser fetten Männer giert nach 500 DM. Das ist der magere Preis für den Gewinner der hier auszutragenden Wahl zu „Deutschlands fröhlichstem Bierbauch“. „Habt Ihr etwa sexuelle Schwungmasse vor der Hütte?“ will der Moderator wissen. „Oder sind das sogar überschüssige Samenstränge?“ Derlei gelungene Witze bringen die Zwerchfelle des Publikums zum Beben.

Anschließend wird das angesoffene Fettgewebe jedes einzelnen Wulstleibes vermessen. Und gewogen: Dazu steigen die Jungs auf eine winzige Badezimmerwaage. Eine halbe Stunde erstrahlt die Essener Grugahalle im Licht grausamer Bilder, die auf zwei Leinwände projiziert werden: Fußnägelformationen, an denen jede Pediküre komplett scheitern würde. Weiße Söckchen mit massivem Grauschleier. Unbeschreiblich ekelhafte Sandalenmodelle. Dann endlich ruft Klaus, von „Klaus & Klaus“ (Klaus), den Schwabbel des Abends aus: Sven Meyer hat einen Leibesumfang von 138 Zentimeter. „Da stell' ich gleich ein paar Bier drauf ab“, freut sich der Moderator.

Und schreitet zur nächsten Wahl: Jetzt wird nämlich auch noch die „Miß Ballermann '96“ gesucht. Benannt ist der Ehrentitel nach der berüchtigten Zapfstelle am Strand von Mallorca. Dort, wo sich die teutonischen Hühner und Hähnchen zu Tausenden braun und mürb grillen lassen; dort, wo sie freiwillig, dafür jedoch unter massivem Alkoholeinfluß, zu amorphen Klumpen deutschen Fleisches mutieren. Natürlich haben alle Kandidatinnen langes, dunkles Naturhaar – so sieht es jedenfalls aus. Und natürlich haben die Kandidatinnen auch eine gesunde, schöne, braune Hautfarbe. So wie ausgetrocknete Möhren halt aussehen. Und den Geist von Mallorca tragen sie alle auch im Herzen.

„Ich mag den Strand am liebsten“, sagt die eine. „Ich mag die Menschen, die Mentalität“, sagt die zweite. „Ich liebe die knackigen Hintern der Männer“, bekennt die dritte. Nur eine wird zickig und schert aus: „Ich mag die Kultur dort“, säuselt sie. „Oh, là, là!“ staunt der Moderator, „du kannst also sogar Mozart von Beethoven unterscheiden?“

Der Titel „Miß Ballermann“ geht letztlich an eine gewisse Ina Pachulk. Oder so ähnlich. Denn die Ina hat erst mal 'ne Superfigur; sie hat auch einen super rosa Tanga an. Und so wie die Ina ausschaut, paßt der Titel zu ihr wie die Faust aufs Auge. Thomas Meiser

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