Bahn-Tarifstreit: Lokführer drohen mit Dauerstreik
Die Bundesregierung versucht, im Bahn-Tarifstreit neue Gespräche in Gang zu bringen. Beim bisher längsten Streik bekam die Wirtschaft erstmals Folgen zu spüren.
Auch nach dem Ende des dreitätigen Streiks der Lokführer ist ein Ende des Tarifkonflikts bei der Deutschen Bahn nicht in Sicht. Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer drohte am Freitag damit, ab der nächsten Woche einen unbefristeten Ausstand zu beginnen, sollte die Bahn bis Montag kein neues Angebot vorlegen. Bis einschließlich Montag soll es aber keine weiteren Streiks geben. Am Freitag zitierte die Nachrichtenagentur AFP Günther Kinscher, den stellvertretenden Vorsitzenden der Lokführergewerkschaft mit den Worten: "Die Geheimdiplomatie läuft." Die Bundesregierung bemühe sich, bei den Verantwortlichen die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme von Gesprächen auszuloten. Allerdings bedürfe es ein neues Angebots. Die GDL fordert einen eigenen Tarifvertrag und 31 Prozent mehr Lohn.
Seit Mittwoch hatte die GDL den Güterverkehr und seit Donnerstag auch den Regional-, Fern- und S-Bahn-Verkehr bestreikt. Am Samstagmorgen um 2 Uhr sollte der Ausstand vorerst beendet werden. Der Streik führte abermals zu enormen Einschränkungen im Bahnverkehr, zudem kam es zu ersten Produktionsausfällen. "Der Streik war sehr erfolgreich", sagte GDL-Sprecherin Gerda Seibert der taz. Die Bahn habe nicht einmal ihre Notfallpläne einhalten können. Zudem sei die Streikkasse gut gefüllt. "Wir können länger streiken, als dem Bahnvorstand lieb ist."
Vom Ausstand besonders betroffen war erneut Ostdeutschland, da hier viele Lokführer in der GDL organisiert und nur wenige Beamte sind, die nicht streiken dürfen. Nach Angaben der Bahn verkehrten im Osten nur 20 Prozent der Regionalzüge, während es im Westen durchschnittlich rund 50 Prozent waren. Im Fernverkehr waren rund zwei Drittel der Züge im Einsatz, vor allem ICE. Starke Einschränkungen gab es auch im S-Bahnverkehr. Die S-Bahn in Berlin fuhr nach Auskunft der Bahn rund 30 Prozent ihrer normalen Leistung, allerdings war etwa der S-Bahnverkehr zum Touristen-Flughafen Schönefeld mit einem 40-Minuten-Takt erheblich eingeschränkt. In München, Frankfurt am Main, Stuttgart, Dresden und im Raum Halle/Leipzig fuhr rund ein Drittel der S-Bahnen.
Auch nach dem dritten Streiktag im Güterverkehr waren die Auswirkungen des Ausstandes in der Wirtschaft zu spüren. Das befürchtete Chaos blieb aber aus. Das vom deutschen Bahnstreik lahm gelegte Audi-Werk in Brüssel will am Montag wieder die Produktion aufnehmen. Drei Produktionsschichten fielen dort aus.
Die Streiks treffen auch den deutschen Einzelhandel. Die Läden in den Bahnhöfen, die der Konzern zu großen Einkaufszentren ausgebaut hat, blieben häufig leer, weil weniger Leute mit der Bahn reisten. Auch Geschäfte in den Innenstädten litten unter dem Streik, da viele Kunden mit der Bahn kommen oder Autofahrer auf Grund von streikbedingten Stauwarnungen auf die Einkaufstour verzichteten. Ängste, der Streik könnte dem Weihnachtsgeschäft schaden, wies der Einzelhandelsverband zurück. "Die Waren für das Weihnachtsgeschäft sind schon da", sagte Verbandssprecher Hubertus Pellengahr. Erst ab 14 Tagen ununterbrochenem Streik könne es zu Beeinträchtigungen kommen. Dies gelte aber nicht für Lebensmittel, die fast komplett per LKW transportiert würden.
Die GDL wies die Forderung der Bahn zurück, die Tarifeinheit im Konzern zu wahren. "Bei der Deutschen Bahn gibt es schon lange keine Tarifeinheit mehr", sagte GDL-Vize Claus Weselsky. So existierten gesonderte Tarifverträge etwa mit der Usedomer Bäderbahn oder der DB-Zeitarbeit, die für gleiche Tätigkeiten unterschiedliche Entlohnung vorsehen würden. So betrage das Tabellenentgelt bei der Bäderbahn 1.865 Euro, bei der DB hingegen 2.140 Euro.
Im Dezember verhandelt das Arbeitsgericht Frankfurt über eine Schadensersatzklage gegen die GDL. Fünf Millionen Euro verlangt die Bahn.
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