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Archiv-Artikel

BUSHS WAHLSIEG BRINGT DIE BUNDESREGIERUNG NICHT IN VERLEGENHEIT Auf der sicheren Seite

Über die Spannungen zwischen der Bush-Regierung und der rot-grünen Koalition in Berlin ist so viel gesagt und geschrieben worden, dass die Vermutung nahe liegt, der Kanzler und sein Außenminister hätten in den vergangenen Tagen wenig anderes getan als ganz fest die Daumen gedrückt – für einen Wahlsieg von John Kerry. Aber es ist fraglich, ob das stimmt. Manches spricht dafür, dass die Bundesregierung einen Wechsel im Weißen Haus derzeit gar nicht so gerne gesehen hätte, und dafür gibt es gute Gründe.

Wenn Kerry gewählt worden wäre und die Hoffnungen auf eine Abkehr von der unilateralen Politik seines Vorgängers erfüllt hätte, dann stünde die rot-grüne Koalition vor einem Problem. Man kann nicht jahrelang fordern, Washington solle sich in stärkerem Maße mit internationalen Gremien abstimmen, und sich dann möglichen Bitten um Unterstützung verweigern, wenn dies endlich geschieht. Niemand, der bei Verstand ist, kann derzeit wünschen, eigene Truppen in den Irak zu schicken. Aber es wäre nicht auszuschließen, dass eine geschickte, multilaterale Diplomatie von John Kerry dieses für die Bundesregierung unumgänglich gemacht hätte.Was immer das für den Rest der Welt bedeutete: Für die rot-grüne Koalition bedeutete es einen Logenplatz auf einem sinkenden Schiff.

Better the devil you know. Gerhard Schröder hat schon einmal einen Konflikt mit dem US-Präsidenten durchgestanden, und beide wissen, was sie voneinander zu halten haben. Sollte George Bush zu neuen militärischen Abenteuern aufbrechen, gibt es für den Bundeskanzler keine Veranlassung, an seiner Seite zu reiten. Zumal er ja die Erfahrung gemacht hat, dass sich auch ein schwerer Konflikt mit Washington politisch überleben lässt.

Die Union ist da interessanterweise in einer weit schwierigeren Lage. Sie hat stets so getan, als ob offener Widerstand gegen politische oder militärische Aktionen der USA grundsätzlich unverantwortlich sei. Jetzt bleibt ihr nur die Hoffnung, dass George Bush nach einem Wahlsieg nicht gänzlich außer Rand und Band gerät. Eine schwache Hoffnung. BETTINA GAUS