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Archiv-Artikel

BUNDESAGENTUR FÜR ARBEIT: DIE VORWÜRFE SIND BESCHEIDEN Gerster ist nicht Struck

Es ist die Zeit des Geraunes. Wie diverse Medien kolportieren, behaupten nicht näher benannte „Kreise“ in der Regierung und in der Bundesagentur für Arbeit angeblich, dass es „sehr eng“ würde für Agenturchef Florian Gerster. Und vielleicht sind diese Gerüchte sogar hellsichtig, vielleicht muss Gerster tatsächlich demnächst zurücktreten. Aber wenn er sein Amt verlassen sollte, dann kann es nicht an den bisher bekannten Vorwürfen gelegen haben. Sie sind nämlich recht bescheiden.

Momentan scheinen drei Beraterverträge strittig zu sein. Sie belaufen sich wohl auf etwa 1,7 Millionen Euro und sollen ohne Ausschreibung vergeben worden sein. Das könnte rechtswidrig sein, es könnte sich aber auch um legale Folgeaufträge handeln. Vor allem aber: Bisher hat noch niemand behauptet, dass Gerster von diesen Aufträgen wusste. Seine Fachabteilungen scheinen allein entschieden zu haben, dass sie Beratung nötig haben. Ähnliches ist Verteidigungsminister Struck im Dezember passiert. Auch er erfuhr erst nachträglich, dass seine Beamten selbstständig externes Know-how geordert hatten – für mehrere Millionen Euro. Damals jedoch hielt sich die öffentliche Aufregung in Grenzen. Struck ist bekanntlich nicht zurückgetreten, sondern änderte einfach die Vergaberichtlinien. Seither muss ein Staatssekretär bei allen Aufträgen gegenzeichnen.

Warum also wogt die Empörung bei Gerster – und nicht bei Struck? Politik funktioniert eben immer auch wie ein Roman mit Helden und Schurken. Der Verteidigungsminister ist beliebt und wirkt volksnah, wenn er von seinem Motorrad schwärmt. Der Agenturchef hingegen verschreckt durch seine Arroganz, sich zum Vordenker der Nation zu erklären. Gleichzeitig entlädt sich der Unmut, dass die Arbeitslosenzahlen nur durch Umstellungen in der amtlichen Statistik sinken.

Also wird Gerster zum Opfer der beliebten Meister-Proper-Attitüde: Zwar ist bekannt, dass alle Menschen Fehler machen, trotzdem sind Fehler in der Politik strikt verboten – sogar Fehler, die man gar nicht selbst begangen hat. Vielleicht tritt Gerster tatsächlich zurück. Das hätte dann aber viel mit Massenpsychologie zu tun und wenig mit Beraterverträgen. ULRIKE HERRMANN