piwik no script img

Archiv-Artikel

BRUNO DER BÄR WIRD ZUM ABSCHUSS FREIGEGEBEN. DAS IST HEUCHLERISCH Natur? Bitte, nicht bei uns!

Jetzt darf Bruno also doch abgeschossen werden. Er hat es gewagt, in unsere domestizierte, kontrollierbare Umwelt einzudringen. Er hat Schafe gerissen und mit dem Anblick von blutigen Kadavern einem Schafzüchter den Schlaf geraubt. So viel unberechenbare Natur darf nicht sein. Doch das bringt uns in ein Dilemma: Weil wir prinzipiell ja schon für Natur sind und uns weltweit vehement für den Schutz wilder Tiere einsetzen. Weil gerade die EU-Länder den Entwicklungsländern immer wieder Artenschutz und Naturbewusstsein predigen. Also wird Bruno kurzerhand zum „Problembär“ erklärt. Damit ist es gerechtfertigt, das Tier abzuschießen. Ausnahmsweise sozusagen.

Angenommen, Bruno wäre ein Elefant und lebte in Kenia. Oder er wäre ein Tiger und lebte Indien. Elefanten tauchen in unserer Wahrnehmung vor allem als Opfer gieriger afrikanischer Elfenbeinhändler auf. Kaum ein Wort darüber, dass die sieben Tonnen schweren Dickhäuter, von denen in Afrika eine halbe Million leben, Felder zertrampeln und auch mal Wohnsiedlungen zerstören können. Ebenso wenig hat ein indischer Bauer auf Verständnis zu hoffen, wenn er einen Tiger töten will, dem er jeden Morgen begegnet – ohne Betongraben und Schutzzaun, wie sie in den Zoos zwischen Wildkatze und Besucher gelegt werden.

Aber auch wild lebende Bären wurden bislang als „Meister Petz“ sozusagen vom Schreibtisch aus gekrault. Die Bundesregierung setzt sich für den Bestand der Braunbären in Slowenien ein, der EU-Neuling braucht in Sachen Wildtierschutz offenbar noch Nachhilfe. Dabei sind die pro Jahr etwa 100 getöteten Bären vielleicht auch allesamt Problembären, weil sie Vieh töten und Menschen gefährden. Übrigens wäre interessant, wie die Artenschutzkommission der Vereinten Nationen reagieren würde, wenn Kenia unliebsame Elefanten mal eben zu „Problemelefanten“ abstempeln und zum Abschuss frei geben würde.

Bruno ist nach Deutschland eingewandert, um uns daran zu erinnern, dass Wildtiere auch mal wild sein können. Es wäre eine gute Gelegenheit gewesen, anderen Ländern den entspannten Umgang mit Natur zu beweisen, den wir vom Rest der Welt erwarten. KATHARINA KOUFEN