BREGOVIĆ IN SPANDAU : „Hopa, Ceca!“
Das Ende der Schlange ist nur wenige Meter vom Ausgang der U-Bahn entfernt. Ungläubig laufen B. und ich zum Eingang der Zitadelle Spandau und zurück. Die Wartenden rücken langsam vorwärts. Schon sehr lange Zeit. Und kein Bierstand weit und breit. B. sagt, er muss unbedingt für seine Belgrader Freunde dokumentieren, dass in Deutschland Tausende stundenlang nüchtern in einer Schlange stehen, um Goran Bregović zu sehen.
Dann Konzert. Neben uns hüpft ein Herr mit erhobenen Händen auf und ab, die Fingergesten wechseln zwischen Victory-Zeichen, gestrecktem Zeigefinger und serbischem Gruß. Sind die Trompeten besonders laut, ruft er ein rätselhaftes „Hopa, Ceca!“. Zum Strickshirt in den exjugoslawischen Nationalfarben trägt er Opanken mit Schnabeln an den Füßen, darunter Ringelsöckchen. Auch Bregović’ Band stapft mit Opanken durchs Publikum. Nur Bregović selbst, ganz in Weiß, steht allein auf der Bühne und verbeugt sich. Mit tänzelnder Hand begleitet er das Konzert ganz unbeeindruckt vom Tumult. Socken trägt er keine, das aber mit Würde. Trotzdem fühlt B. sich genötigt, seine blauen Kniestrümpfe vorzuzeigen, es sind die der jugoslawischen Fliegerstaffel. Unter Ah!- und Oh!-Rufen lächeln die Umstehenden B. zu. Der kann kein gutes Haar an Bregović lassen.
Die Aftershowparty findet in einem 16 Quadratmeter großen Zelt statt. Die Musik ist zimmerlaut, man muss leise reden, um im Rhythmus zu bleiben. Trotzdem ist B. nicht zu bändigen. Zuerst demoliert er das Partyzelt. Vergeblich versuchen wir, die Eisenstangen wieder ineinander zu schieben. Dann geht er in die Hocke und füllt sein Bier blitzschnell aus mehreren unbeaufsichtigten Bechern auf. Auf der Rückfahrt nach Neukölln beteuert er, er habe nicht ahnen können, dass ich ihn beobachte. B.s Füße in Fliegerstrümpfen liegen dabei auf dem gegenüber liegenden Sitz. SONJA VOGEL