BLUTIGES OPFERFEST : Wie zu Abrahams Zeiten
NEBENSACHEN AUS ISTANBUL
Gestern erzählte mir ein Freund, wie er das gerade zu Ende gegangene Opferfest verbracht hat. Er war bei Verwandten eingeladen, die der Tradition entsprechend ein Tier schlachten wollten. Hamid, mein Freund, wurde von seinen Cousins zu einer Brache mitgenommen, wo hunderte potenzielle Opfertiere auf Käufer warteten. Die Verwandtschaft entschied sich für eine Kuh. Zum Erstaunen Hamids wandten sich seine Cousins aber anschließend nicht an einen Metzger, sondern legten dem Tier einen Strick um den Hals und marschierten samt Kuh zügig nach Hause.
Das Tier wurde in einen Hinterhof geführt, man fesselte ihm die Beine, und dann stürzte sich die Verwandtschaft auf die Kuh, um sie zu Fall zu bringen. Hamid staunte nicht schlecht, als sein Cousin plötzlich ein riesiges Messer in der Hand hatte und dem Tier den Hals aufschnitt. Das Opfer war vollbracht.
Seit Jahren versuchen die Autoritäten der Moscheen und die Behörden, die Türken davon zu überzeugen, dass selber schlachten keine gute Idee ist. Die Abendnachrichten während der Festtage sind eine Ansammlung von Slapsticknummern. Da werden hunderte von Möchtegernmetzger gezeigt, die statt des Schafs ihr eigenes Bein oder ihren Arm zerschnitten haben, oder Szenen mit Tieren, die sich im letzten Moment befreien konnten und in wilden Hetzjagden zu entkommen suchen. Selbst diese Missgeschicke konnten die Mehrzahl der türkischen Männer bislang nicht davon überzeugen, ihr Opfertier von einem Metzger zubereiten zu lassen. Dabei bieten Moscheen und Koranschulen ihren Gläubigen an, sich ein Opfertier auszusuchen, das dann nach allen Regeln der Kunst geschächtet und zerlegt wird. Den obligatorischen Teil für die Armenspeisung behalten die Moscheen gleich ein, und der Käufer bekommt am Ende ein sauber verpacktes Päckchen mit den besten Teilen seines Opfertiers.
Trotzdem startet die Barbarei startet jedes Jahr aufs Neue. Als Hamid seinen Cousin entgeistert fragte, warum sie das Tier nicht professionell schlachten lassen, sah der ihn verständnislos an. „Zum Metzger gehen und ein Stück Fleisch kaufen kann ich jede Woche, wenn ich genug Geld habe“, sagte er, „aber das Opferfest ist doch nur einmal im Jahr.“ Geopfert werden aber muss wie zu Abrahams Zeiten.