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Archiv-Artikel

BLAIRS RÜCKZUG AUS DEM IRAK KOMMT ZWAR ZU SPÄT – ABER ER IST RICHTIG Fadenscheinige Begründungen

Die Begründung für den britischen Truppenabzug aus dem Irak ist genauso weit hergeholt, wie es schon die Begründung für den Krieg war. Die irakische Regierung sei nun stark genug, mit den Problemen fertig zu werden, die britischen Soldaten würden nun nicht mehr benötigt? Die Realität sieht anders aus. Dreitausend Iraker kommen jeden Monat gewaltsam ums Leben, 1,5 Millionen sind aus ihren Häusern vertrieben worden, 2 Millionen sind aus dem Land geflohen. Die Polizei in Basra, die laut Premierminister Tony Blair die Situation im Griff hat, wird von schiitischen Milizen, rivalisierenden Clans und Banditen dominiert.

Die wahren Gründe für den britischen Rückzug haben nichts mit der Lage im Irak, sondern mit der in Großbritannien zu tun. Die britischen Wähler haben die Nase voll vom Krieg, Blairs Popularitätskurve zeigt immer mehr nach unten. Eine Statue wie die von Margaret Thatcher, die ausgerechnet an dem Tag im Unterhaus enthüllt wurde, an dem Blair den Truppenrückzug verkündete, wird er deshalb wohl nie bekommen.

Selbst die Armeeführung kritisiert ihn offen, weil sie ihre Soldaten viel schneller nach Hause holen will. Doch das kann sich Blair aus Rücksicht auf seinen Verbündeten George Bush nicht erlauben. Nun muss sein designierter Nachfolger, der Schatzkanzler Gordon Brown, den Job zu Ende bringen.

Obwohl die offiziellen Argumente für den Rückzug falsch sind: Er ist dennoch richtig, weil Großbritannien längst Teil des Problems ist. Die Zahl der britischen Opfer hat sich in den vergangenen vier Monaten verdreifacht; 61 Prozent der Iraker befürworten Anschläge auf britische und US-Soldaten. Allerdings hätten die Truppen besser schon nach den Wahlen in Basra vor zwei Jahren abgezogen werden sollen. Damals hätte man das noch halbwegs als Sieg verkaufen können.

Angesichts des Chaos, das die britische Armee hinterlässt, muten Blairs Versuche, den Rückzug als Erfolg hinzustellen, lächerlich an. Aber was soll man von einem Premier erwarten, der Berichte fälschen ließ und Massenvernichtungswaffen erfand, um seinen Krieg zu begründen? RALF SOTSCHECK