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Archiv-Artikel

BIERTRINKEN MIT DILEK KOLAT IN DER MARKTHALLE UND EIN TREFFEN MIT SPEED DATE IN HOPPEGARTEN, WO MAN MIT BUKOWSKI GUT AUFGEHOBEN IST Vom hohen Ross dem geschenkten Gaul ins Maul schauen

VON JURI STERNBURG

Ozapft is“, hallt es durch die Markthalle an der Eisenbahnstraße in Kreuzberg. Die Moderatorin des „Maibock-Anstichs“, welche sämtliche Kriterien erfüllt, um mit einem sogenannten Honigkuchenpferd verglichen zu werden, bemerkt den Faux-Pas aber relativ schnell und fragt in die Runde, wie man denn eigentlich sagen würde in Berlin? (Mein persönlicher Favorit ist ja der Trinkspruch von Leonardo di Caprio in „Django Unchained“, ein schlichtes „German!“). Kann ihr aber niemand beantworten, die wenigen Gestalten die sich zu diesem Event des August-Bebel-Instituts verirrt haben, wissen es nicht und sind sowieso damit beschäftigt, Fotos der Senatorin für Arbeit, Integration und Frauen, Dilek Kolat, zu schießen.

Diese zapft Bier und sagt währenddessen Sätze wie: „Wer Bier trinkt, sollte sich auch mal Gedanken um die Arbeiter in der Produktion machen.“ Da ihr niemand so recht zuhören will, schließlich werden die meisten Anwesenden eine Fabrik letztmalig zum Schulwandertag 1984 von innen gesehen haben, beschließt ein Mitarbeiter, den Kindern in der einige Meter entfernten Spielecke die Bauklötze wegzunehmen, da diese „viel zu laut“ seien und die monströsen Boxen übertönen würden.

Infolgedessen ziehen auch die letzten Familien von dannen, es bleiben nur noch die Herren mit den randlosen Brillen, die mal irgendwas studiert haben und jetzt nicht verstehen warum sich niemand für ihre Veranstaltung interessiert. Vielleicht, weil der Eierkuchenstand und der Grieche und die Videothek gehen mussten und man stattdessen eine „Kiezkantine“ mit Fair-Trade-Kaffee angesiedelt hat, in der man für eine Scheibe Kassler und einen Hauch von Klößen sechs Euro löhnt. Dafür sind die Klöße aber auch äußerst bio.

Theoretisch soll es in der Markthalle um den historischen „Berliner Bierstreik“ gehen, doch bevor der Politologe Reinhard Wenzel etwas dazu erzählen darf, muss die Frau Senatorin noch ein paar Floskeln loswerden. Aber ich will hier nicht durchgehend vom hohen Ross dem geschenkten Gaul ins Maul schauen, immerhin gibt es Freibier.

Und was tut man, wenn man bereits am Nachmittag einen sitzen hat und außerdem im vorigen Satz eine ausgeklügelte Einleitung präsentieren konnte? Richtig, man schleicht sich auf die Galopprennbahn Hoppegarten und wettet auf Pferde wie Dancing Shuffle, The Blue Lady oder Speed Date, welche uns übrigens jeweils einen Geldgewinn bescheren, danke nochmals dafür. Vielen Dank auch an den Besitzer des letztgenannten Pferdes, welcher für einen Glücksmoment bei unserer Freundin Maxi sorgt, als er ihr erlaubt, in den Siegerbereich zu treten, um ein Foto mit besagter Stute zu schießen.

Auto-Mensch-Maschinen

In der Zwischenzeit trinke ich weiter Bier, wette auf die wohlklingendsten Pferdenamen und halte Ausschau nach reichen Witwen. Die Bukowski-Phase in meiner frühen Jugend scheint Spuren hinterlassen zu haben, ich fühle mich heimisch.

Viele wetten anscheinend über das Internet, die Smartphones sind allgegenwärtig auf den Tribünen, ich jedoch halte mich am Ideal des Mannes mit der Ledertasche fest. Außerdem fürchte ich mich immer mehr vor dem Internet und den Computern. Letztens erst sah ich eine ziemlich spannende Dokumentation, in der Computer und Maschinen (sogenannte „Transformers“) eine amerikanische Kleinstadt übernommen hatten und nur dank eines sprechenden Ferraris konnte die Weltherrschaft der Auto-Mensch-Maschinen verhindert werden. Glück gehabt. Falls ihnen all dies etwas zusammengewürfelt und sinnlos erscheint, dann seien sie froh, dass sie die Rede der Senatorin in der Markthalle verpasst haben. In diesem Sinne: German!