BEWUSSTE UNGENAUIGKEIT ALS NEUE STRATEGIE IN DER KOMBILOHNDEBATTE : Mindestlöhne schützen das System
Kombilohn? Mindestlohn? Es ist auffällig, wie in den vergangenen Wochen diese Begriffe vermischt wurden. Aber das hilft nicht. Denn hinter diesen beiden Konzepten verbirgt sich die gravierendste, sozialpolitische Entscheidung der nächsten Zeit, vor der sich weder Union noch SPD werden drücken können.
Mindestlohn und Kombilohn sind keine verwandten, sondern gegensätzliche Modelle. Ein „Kombilohn“ ist ein öffentlich finanzierter Zuschuss zu einem Lohn, entweder im Rahmen eines Förderprogrammes oder als aufstockendes Arbeitslosengeld II. In jedem Fall wird dieser „Kombilohn“ auch aus den Steuern anderer BürgerInnen aufgebracht. Ein gesetzlich festgelegter „Mindestlohn“ muss hingegen von den Unternehmen gezahlt werden. Die Firmen drohen zwar, dass tausende von Jobs flöten gingen, wenn ein solcher Mindestlohn käme. Doch dass das so passiert, scheint nach den Erfahrungen anderer Länder der europäischen Union eher unwahrscheinlich. Britische Sozialexperten haben jetzt bei einer Anhörung in Berlin gewarnt, dass die Steuerzahler immer mehr zur Subventionierung von Niedriglöhnen herangezogen werden, wenn es keine gesetzlich festgelegte Untergrenze für den Lohn gibt und gleichzeitig die Sozialleistungen erhalten bleiben sollen. Dass diese Verlagerung hierzulande längst läuft, zeigt die steigende Zahl von Jobbern, die nebenbei Hartz IV erhalten. Es stellt sich daher die Frage, ob nicht lieber doch die Arbeitgeber statt andere Steuerzahler für die Mindesteinkommen sorgen sollen. Wobei es natürlich noch die dritte Möglichkeit gibt: Man könnte das Arbeitslosengeld II absenken. Damit hätten weniger Jobber Anspruch auf ergänzende Sozialleistungen. Alle Langzeiterwerbslosen müssten dann den Preis dafür zahlen, dass der Abstand vom Niedriglohn zum Arbeitslosengeld II wieder wächst, und zwar, indem das ALG II nach unten wegrutscht.
Wer das will, soll es auch sagen. Wer aber die Sozialleistungen nicht mindern möchte, muss sich entscheiden – für einen Mindestlohn. Begriffsverwirrung hilft da nicht weiter. BARBARA DRIBBUSCH