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Archiv-Artikel

BEWEGUNG IN BILDERN Ein Anti-Wortmann

DOKU Zwei Jahre nach dem Turnier kommt „11 Freundinnen“ in die Kinos, ein Film auch über die Randfiguren im deutschen WM-Team von 2011

Silvia Neid ist unzufrieden. „Stopp!“, sagt sie. Sie schnappt sich den Ball, macht eine Übung vor. Totale über den Trainingsplatz, die Tonspur gehört ganz Neid: „Da spielst du so’n Bällchen dahin! Nicht so eingefahren“, weist sie an. Zu einfallslos, was die Kickerinnen da abliefern. Kurz darauf: Treppenlauf, eine Finnenbahn hoch. Sisyphos beim Training. Der Konditionstrainer brüllt: „Deine Uhr läuft! Komm, Simone! Ich will ’ne gute Zeit!“

In einer knapp 100-minütigen Dokumentation hat sich die Regisseurin Sung-Hyung Cho dem deutschen Team während der WM 2011 gewidmet. Mit Verspätung kommt der Film jetzt in die Kinos. Bereits mit ihrem 2006er Werk „Full Metal Village“ hat Cho gezeigt, wie gutes Doku-Kino geht. Man durfte hoffen, dass der Film ein anderes Kaliber haben würde als das – zumal als Doku – recht misslungene „Sommermärchen“ von Sönke Wortmann.

Es ist ein Film mit einem völlig anderen Zugang, ein Anti-Wortmann. In „11 Freundinnen“ versucht Cho, die Geschichten hinter der Geschichte zu zeigen. Der Film stellt Porträts jener Spielerinnen in den Vordergrund, die während der WM nur Nebenrollen eingenommen haben. Erst nach knapp 70 Minuten geht es dabei überhaupt um das Turnier selbst.

Thematisch stehen die Vorbereitungen, das Training und die Strukturen im Frauenfußball im Mittelpunkt. Cho begleitet das Team bereits vom Winter an. Protagonistinnen sind die Ersatztorhüterin Ursula Holl, Abwehrspielerin Bianca Schmidt, die nicht nominierte Anja Mittag, Lira Bajramaj und die Mittelfeldspielerin Dzsenifer Marozsán, die sich vor der WM 2011 verletzte. Episodenartig folgt ihnen die Regisseurin.

Sie lässt die Spielerinnen über alles reden, aber nur selten über Fußball. Das tut dem Film gut. Holl berichtet in der Küche von ihrem Fernstudium als Ernährungsberaterin, man sieht sie beim Brotbacken („Böse Zungen behaupten, es sieht aus wie ein weibliches Geschlechtsorgan“). Sie wird begleitet bis auf die Ersatzbank bei der WM.

Marozsán und Mittag folgt die Kamera in ihren Büroalltag nach Frankfurt und Ludwigsfelde. Fazit für die nicht nominierte Mittag: „Es geht ja weiter. Wenn ihr ’n Film dreht und der platzt, macht ihr ja auch weiter – weil man es liebt.“ Marozsán in der Reha: „Man kann es nicht mehr hören, dass es allen sehr leidtut.“

Was den Alltag im Leistungssport betrifft, da lässt Cho die Kamera sprechen. Teambuilding-Maßnahmen, Laktattests, Leistungsdiagnostik, der Jugendherbergscharakter des Trainingslagers. Oder den Moment, als der Treppenlauf geschafft ist. Gebückte Spielerinnen, die Hände auf den Knien. Stille.

Das eigentliche Turnier bildet der Film dann mit Originalausschnitten aus den Spielen, überflüssigen Public-Viewing-Szenen und schwarz-rot-goldenen La Olas ab – zu konventionell. Dass es „ein bisschen nicht real“ (Bianca Schmidt) war, weiß man.

„11 Freundinnen“ ist ein sehenswerter, kein überragender Film. Die vermeintlichen Schwächen sind die Stärken: Dass der Film die Randfiguren des WM-Teams in den Mittelpunkt stellt. Dass das Turnier nicht im Vordergrund steht. Selbst, dass der Film erst jetzt in die Kinos kommt (nachdem eine Kurzversion im ZDF-Nachtprogramm versenkt wurde) – denn die zeitliche Distanz tut auch dem Zuschauer gut. JENS UTHOFF

■ „Elf Freundinnen“: Dokumentation von Sung-Hyung Cho, 100 Min., Deutschland 2013