BETTINA GAUS POLITIK VON OBEN : Kinderzimmerpolitik
Sie verlangen Freundschaftsbeweise und die Erfüllung ihrer Wünsche. Die Rede ist nicht von Kindern. Sondern von Politikern, die Parteibeschlüsse und Reklame überbewerten
Vielen Zehnjährigen ist es sehr wichtig, dass die allerbeste Freundin oder der allerbeste Freund sich öffentlich zu ihnen bekennen. Viele Dreijährige beharren trotzig darauf, dass genau das geschieht, was sie wünschen – wie unrealistisch das im Einzelfall auch immer sein mag. Ich finde solche Verhaltensweisen zwar manchmal nervtötend, aber grundsätzlich vollkommen in Ordnung. Bei Kindern.
Wenn Angela Merkel und Guido Westerwelle im Wahlkampf wechselseitig Bekenntnisse zueinander einfordern, dann strapaziert das die Nerven empfindlicher Teile des Publikums jedoch über Gebühr. Beim Publikum handelt es sich übrigens um jene Leute, die gegenwärtig immer wieder ermahnt werden, doch unbedingt zur Bundestagswahl zu gehen, weil sie andernfalls die Demokratie gefährden. Manche Politiker scheinen so sehr daran gewöhnt zu sein, dass alle wichtigen Fragen in Sitzungen von Parteigremien entschieden und auf Marktplätzen verkündet werden können, dass sie sich gar nicht mehr vorstellen können, es gäbe auch andere Wege der Entscheidungsfindung. Wahlergebnisse, beispielsweise.
Ein besonders eindrucksvolles Beispiel für diese Sicht auf die Welt lieferte nach der Landtagswahl der thüringische SPD-Vorsitzende Christoph Matschie. In einem möglichen Bündnis mit der Linkspartei müsse er Ministerpräsident werden, ließ er wissen. Seine Partei habe das nämlich so beschlossen. Fabelhaft. Matschie hat allen Grund, Dieter Althaus dankbar zu sein. Nur dessen Rücktritt rettete ihn vor der Rolle des Klassenclowns.
Lediglich die Grünen haben sich bisher zurückgehalten mit Bekenntnissen. Reden aber immer mal wieder darüber, ob sie sich nicht doch zu jemandem bekennen sollten, ob der das nun will oder doch nicht. Lustig auch das.
Man sieht: Kränkungen, Zurückweisungen, Enttäuschungen allerorten. Kein Wunder, dass sich die Spitzenkräfte der Politik mehr miteinander beschäftigen als mit inhaltlichen Fragen.
In der Schule war das früher ja auch nicht anders. Ein Thema allerdings gibt es, da reden alle gerne mit: die Überlegung, ob ein Lagerwahlkampf sinnvoll wäre oder nicht. Das könnte man in Zeiten einer großen Koalition für Realsatire halten, erinnerten die Gedankenspiele nicht so sehr an die Kämpfe rivalisierender Jugendbanden. Da ist dann Schluss mit lustig.
■ Die Autorin ist politische Korrespondentin der taz Foto: Amélie Losier