BERNHARD GESSLERSTETHOSKOP : Die Columbo-Frage
Gegen die Schweinegrippe impfen lassen? Oder lieber nicht? Nach dem Chaos der letzten Wochen kann diese Patientenfrage ganz schön nerven
Ach, Herr Doktor, eine kurze Frage noch …“ Was jetzt folgt, nenne ich immer die „Columbo“-Frage. In der berühmten amerikanischen Krimiserie stellt der Kommissar, gespielt von Peter Falk, dem Verdächtigen im Hinausgehen eine beiläufige, gleichwohl die entscheidende Frage. Und so spielt sich das auch in meiner Praxis ab: Die Konsultation ist eigentlich beendet, ich halte dem Patienten die Tür auf – da kommt sie, die Columbo-Frage: „Noch ganz kurz: Wie halten Sie’s mit der Schweinegrippe-Impfung?“
„Ganz kurz“ lässt sich das eben leider nicht beantworten. Aber das passt gut zum bisherigen Informations-, Verantwortungs- und Verteilungschaos der Pandemie. Blättern wir im Drehbuch zurück: Schon zu Beginn der Seuche meldete Mexiko binnen weniger Wochen 150 H1N1-Influenzatote, dabei konnten die Behörden den neuen Erregertypus noch gar nicht exakt identifizieren. Dann änderte die Weltgesundheitsorganisation während der laufenden Epidemie die Definitionskriterien einer Pandemie. Dann stritten sich in Deutschland Bund, Länder, Kassen- und Ärzteverbände, wer die Kosten für eine Massenimpfung tragen sollte. Oder durfte. Als nach Monaten die ersten Impfseren fertig waren, räsonierten die Experten öffentlich über deren Nutzen und Gefahren. Wer käme für eventuelle Impfschäden auf?
Der Verlauf der Erkrankung in den USA, Spanien und England schien anfangs relativ glimpflich. Zur Sommerferienzeit gab es gar eine Diskrepanz zwischen der öffentlichen Erregung und Angst mancher (oft eher Bild-nahen und bildungsfernen) Bevölkerungsschichten und der tatsächlich relativen Milde der Erkrankung. Noch während der Koalitionsverhandlungen Anfang Oktober schoss das Bundesinnenministerium den Vogel ab, als ruchbar wurde, dass es vor über einem Jahr einen Impfstoff für „die da oben“ bestellt hatte. Ich sagte zu meiner Frau: „Diese Impfung ist gelaufen!“
Tatsächlich tendierte die Meinung eher gegen die Impfung. Eingefleischte Impfgegner konnten triumphierend lächelnd auf den Widerspruch zwischen dem Riesenaufwand der Massenimpfung und dem glimpflichen Verlauf der Pandemie in Europa verweisen. Aber seit in Deutschland die ersten jungen Pandemietoten ohne Vorerkrankungen gezählt werden, geht die Angst um.
Zur selben Zeit mussten sich in den meisten Bundesländern die Haus- und Kinderärzte entscheiden, wie viele H1N1-Impfseren sie bestellen. Auf das Informations- und Verantwortungschaos folgte nun das Verteilungschaos: Nur einzelne Apotheken wurden beliefert. Der Impfstoff schien plötzlich rar zu werden – was die Verunsicherung der Bevölkerung eher verstärkte.
Was ich jetzt auf die Columbo-Frage antworte? Ich halte mich streng an die offiziellen Empfehlungen: Menschen mit chronischen Erkrankungen und jenen, die im Gesundheitswesen arbeiten, rate ich zu. Von meiner eigenen Impfung habe ich übrigens kaum etwas gespürt – meine Basketballverletzung hingegen tut seit zwei Wochen weh.
■ Der Autor ist Internist in Karlsruhe Foto: privat