BERND PICKERT ÜBER DIE TV-DEBATTE ROMNEY-OBAMA : Punktsieg fürs Chamäleon
Wenn alle schreiben, dass Mitt Romney die erste TV-Debatte gegen Präsident Barack Obama gewonnen hat, dann ist das so. Weil es alle schreiben. Und diesmal haben sogar alle recht: Romney war besser, aggressiver, offener, humorvoller, charmanter – und 100-prozentig vorbereitet. Obama eher nicht. Der Präsident blieb defensiv, sprachlich oft umständlich – und weit davon entfernt, die Angriffe Romneys auch nur zu parieren, geschweige denn als visionärer Amtsinhaber selbst in die Offensive zu gehen.
Was bringt Romney dieser Sieg? Ob die paar verbliebenen unentschlossenen Wechselwähler überhaupt die Debatte verfolgt haben, also 90 widersprüchliche Minuten aus Detailversessenheit und Aussageverweigerung, die nicht wirklich spannende Unterhaltung boten, ist zweifelhaft. Aber für Romney war der Mittwochabend, um wie so viele Kommentatoren eine Sportmetapher zu bemühen, ein Pflichtsieg im Abstiegskampf. Nach all den Fehlern und Schreckensmeldungen der letzten Wochen waren seine Umfragezahlen abgerutscht, viele hatten die Wahl schon abgeschrieben. Es bestand die Gefahr, dass die eigenen Leute gar nicht mehr wählen gehen, weil sie die Sache verloren geben. Aus diesem Loch musste Romney heraus, und das hat er geschafft. Er ist wieder ein ernstzunehmender Herausforderer.
Dabei hat sich Romney, das ewige Chamäleon, einmal mehr neu erfunden. Noch vor zwei Wochen war jedem klar, dass der Millionär sich einen Dreck um die Mehrheit der US-Amerikaner kümmert. In der Debatte hingegen drehte sich seine ganze Argumentation um die Mittelschicht, die Kleinunternehmer, die Arbeitslosen, die Rentner und ihre Nöte. Romneys Message bleibt gleich: Mit weniger Staat geht es der Wirtschaft besser und somit allen. Das ist genauso unsinnig wie vorher. Aber Romney hat einen Weg gefunden, die Geschichte besser zu erzählen. Und kein Obama hat ihn daran gehindert.
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