BERND PICKERT ÜBER DAS NICHTVERFAHREN GEGEN DAIMLER IN DEN USA : Ein Konzern zieht durch
Für Daimler, den Weltkonzern aus Deutschland, ist es ein Riesenerfolg. Das Unternehmen hat hart dafür gearbeitet, dass dem Vorwurf, das argentinische Mercedes-Benz-Werk habe zu Beginn der Militärdiktatur kritische Betriebsräte den Militärs ans Messer geliefert, nicht juristisch nachgegangen wird. Mit der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs der USA, die Klage der Opferangehörigen vor einem kalifornischen Bundesgericht nicht zuzulassen, hat das Unternehmen nun wohl ein für alle Mal Ruhe. Auf der Strecke blieben wieder einmal Gerechtigkeit und Wahrheit.
Moral, gar Scham oder Reue hat Daimler in dem Verfahren nicht gezeigt. Sein größter Coup: 2002 bestellte sich der Konzern den bis dahin renommierten Völkerrechtler Christian Tomuschat als Gutachter, um den insbesondere von der Journalistin Gaby Weber gründlich recherchierten Vorwürfen nachzugehen. Tomuschats im Folgejahr vorgestelltes Gutachten wusch den Konzern rein. Kunststück: Er hatte es fertiggebracht, mit den wichtigsten Zeugen, deren Namen und Adressen ihm vorlagen, gar nicht erst zu reden. Das Gutachten erfüllte seinen Zweck. Die in Deutschland anhängigen Klagen wurden abgewiesen, und auch in Argentinien hielt sich Daimler die Justiz vom Halse.
Dass die Opfer daraufhin versuchten, ein Verfahren anzustrengen, war also ein Schritt der Verzweiflung. Die einstimmige ablehnende Entscheidung des Obersten Gerichtshofs ist nachvollziehbarer als manche andere in dieser langen Justiztragödie. Das Bestreben, US-Bundesgerichte nicht als globale Menschenrechtsgerichtshöfe zu etablieren, ist verständlich. Für die argentinischen Kläger aber bedeutet diese letzte Entscheidung: Sind die Gegner nur mächtig genug, gibt es keine Gerechtigkeit. Das ist keine neue Erkenntnis. Akzeptabel ist sie dennoch nicht.
Wirtschaft + Umwelt SEITE 9