BERLINER PLATTEN : Berliner Positionen: Marianne Rosenberg geht Jazz und Manfred Maurenbrecher rockt hemmungslos dem Springsteen hinterher
Zugegeben, es ist nicht leicht, als gelernte Diva das Alter anzugehen. Die Karriereoptionen, die sich bieten, sind überschaubar. Jazz und Chanson allerdings sind exakt jene Fluchtpunkte, die sich allzu eilfertig aufdrängen, und genau die hat sich Marianne Rosenberg, eben 53 Jahre alt geworden, ausgesucht für ihr Programm, mit dem sie in den letzten Jahren unterwegs war, und das nun dokumentiert wird auf dem Album „I’m A Woman“.
Auf dessen Verpackung stellt sie mit Hut, Pelz und Krawatte die Zwanzigerjahre nach. Innendrin findet Erwartungsgemäßes statt: Der Schlagzeugbesen rührt, der Bass trödelt, das Klavier improvisiert wohltemperiert. Dazu interpretiert die Schwulenikone Rosenberg altgediente Standards. Cole Porter kommt gleich zweimal zu Ehren, den Titelsong schrieben Leiber/Stoller einst für Peggy Lee, und „You Go To My Head“ hat bislang noch jeder Stimmbandbesitzer aufgenommen, der etwas auf sich hält, darunter Billie Holiday, Marlene Dietrich und Ella Fitzgerald. In diese Reihe stellt sich Rosenberg vielleicht nicht bewusst, aber mit dieser klassisch geprägten Songauswahl dann doch absichtsvoll. Man darf das ruhig anmaßend nennen, denn auch wenn Rosenberg ihr durchaus beeindruckendes Stimmvolumen demonstriert, ist ihre Koloratur doch vorgeprägt von ihrer Schlagervergangenheit und verrutscht bisweilen ins Kitschige. Dagegen hilft auch nicht, dass mancher Standard von ihr mit Übersetzungen in breitestem Berlinerisch versehen wurde: So wird „What Is This Thing Called Love“ zu „Wat Liebe aus uns macht“ und aus „Everything Happens To Me“ ein rotziges „Allet passiert imma nur mir“. Das funktioniert ganz passabel, ist aber natürlich vor allem ein leicht durchschaubares Manöver, den Absturz in pathetische Abgründe zu umgehen.
Doch gerade das ist doch wohl die Kunst einer großen Diva, das Pathos als angeborene Charaktereigenschaft erscheinen zu lassen. Das aber traut sich Rosenberg selbst bei ihrer Version von „Für mich soll’s rote Rosen regnen“ nicht, das entgegen der offensichtlichen Aussage des Songs von ihrer Band möglichst beiläufig hingetupft wird.
Solche Beiläufigkeit ist nicht gerade die Stärke eines anderen Berliner Urgesteins. Manfred Maurenbrecher zeichnete noch nie die Sorge aus, jemandem zu nahezutreten. Auf seinem grob geschätzten nun schon 18. Album „Glück“ taumelt er wie gewohnt zwischen grummeligem Liedermachertum, hellsichtiger Beobachtung und weihevoller Poesie. Sein abgrundtiefes Organ ist sein Markenzeichen, und dass die Musik des mittlerweile 57-Jährigen eher zeitlos als zeitgenössisch daherkommt, merkt man schon daran, dass einer seiner Protagonisten ein Lied von Adam Green nicht etwa in einem mp3-Player hört, sondern noch in einem Walkman. Musikalisch allerdings bemüht sich Maurenbrecher um Abwechslung. Nur noch selten sitzt er auf „Glück“, so wie man es von ihm kannte, allein am Klavier und hämmert seine Verse heraus. Immer wieder lässt er seine Band rocken und das mitunter so hemmungslos, als wolle er sich als deutscher Springsteen bewerben. Auch eine Karriereoption. THOMAS WINKLER
Marianne Rosenberg: „I’m A Woman“ (Lola-Lounge/Alive)
Maurenbrecher: „Glück“ (Reptiphon), live am 17. 3. bei „Literatur in Zeiten des Neoliberalismus“, Helle Panke, 18 Uhr