BERLINER PLATTEN : Chinesisch lernen mit den Ärzten und anderen bei einer Poptastic Conversation, die einem auch das Deutsche mal ganz fremd wieder näher bringt
Ein Lied kann eine Brücke sein. Muss aber nicht. Mit der Verständigung ist das sowieso so eine Sache, die selbst dann unterhaltsam sein kann, wenn man nichts versteht oder noch nicht einmal die Hälfte. Und schon ist man bei dem hübsch quotierten Sampler „Poptastic Conversation China“, mit dem man beim Berliner Fly-Fast-Records-Label die Idee der im vergangenen Jahr erschienenen ersten Poptastic-Conversation noch einmal ausgebaut hat.
Damals durften deutsche Bands ihre Lieder in Japanisch singen. Diesmal singen deutsche Bands (mit Beimengungen aus Österreich und der Schweiz) chinesisch und chinesische Bands deutsch. Darunter finden sich deutscherseits Namen, die man kennt wie Die Ärzte und Wir sind Helden, und Namen aus China, die man weltgewandt dann in die nächste Diskussionsrunde werfen kann bei der Frage „Rockmusik in China?“ Ja, gibt es. Joyside zum Beispiel, die Punkrocker mit schönem Ennui. Schön auch, dass die Texte mit abgedruckt sind bei dem Sampler, weil man sonst vielleicht gar nicht mitbekommen hätte, dass das wirklich Deutsch ist, was die da singen. Sie dazu zu bringen, soll dabei gar nicht so einfach gewesen sein: wegen der chinesischen Angst vor dem Gesichtsverlust. Ein Kichern im Studio kann da vieles kaputtmachen. Selbstredend klingt so ein fremder Zugriff auf die deutsche Sprache toll.
Das Chinesische wiederum steht Frank Spilker und den Sternen hörbar gut. Allein schon deren „In diesem Sinn“ ist ein unbedingtes Kaufargument für den Sampler, und auf der anderen Seite finden sich Namen, die man sich unbedingt merken muss wie die Carsick Cars mit einem Velvet-Underground-mäßigen Lob einer chinesischen Zigarettenmarke: „Unmöglich, ein Leben ohne Zhongnanhai“.
Doch natürlich ist auch hier nicht alles Gold. Durch ein paar Harmlosigkeiten muss man sich schon hangeln, beiderseits, wie das bei einem Sampler eben ist mit seiner Aufgabe zur Übersichtsschau. So lässt diese Poptastic Conversation doch hören, dass die grundstürzenden Neuigkeiten im Pop nicht aus China kommen werden in absehbarer Zeit. Und aus Deutschland auch nicht. Ersteres hat man so wohl geahnt, Letzteres eigentlich gewusst.
Überhaupt hilft manchmal etwas Landeskunde weiter: dass zum Beispiel in einer chinesischen Gegenwart mit seiner Ein-Kind-Politik (wobei man für dieses Kind noch dazu den Trauschein braucht) so ein Lied wie „Nicht heiraten“ durchaus ein Protestsong sein kann. Ein Lied von Liu Donghong, von dessen Band Shazi parallel zum Poptastic-Sampler bei Fly Fast gerade das Album „The world has become a fairy tale“ mit somnambulem Laid-Back-Rock erschienen ist. Eine Art Westcoast.
Die Poptastic Conversation China kommt mit einer Sprachkurs-CD und einem 150 Seiten dicken Buch mit weiterführender Literatur. Das wohl aber für den deutschen Markt, weil in China bestimmt bereits die abgespeckten Raubkopien draußen auf der Straße verhökert werden. Was so auch eine reizende Vorstellung ist: Eine Milliarde Chinesen hören chinesischen Ärzte-Punkrock. THOMAS MAUCH
Poptastic Conversation China (Fly Fast Records/Alive)