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Archiv-Artikel

BERLINER PLATTEN Rap hält die Sache real: B-Tight berichtet mit „Goldständer“ von dem wirklich wichtigen Ding in seinem Leben, und Prinz Pi guckt auf den Hintern von Britney Spears

Man kann ja allerhand Ungutes sagen über den deutschen Porno-Rap. Aber eins ist er: ehrlich. Nein, Symbolismus und Psychologie sind seine Sache nicht, Meta-Ebenen selten eingezogen und hermeneutisches Handwerkszeug muss meist auch nicht aufgefahren werden, um ihn zu verstehen. Weil das so ist und weil der Rapper instinktiv sein Alleinstellungsmerkmal hervorhebt, nennt B-Tight sein aktuelles Album „Goldständer“.

Ja, so eine James-Bond-Analogie muss schon drin sein, ansonsten aber hält es Robert Edward Davis eher schlicht, wenn er seinem Alter Ego Bobby Dick in holprigen Reimen huldigt. Folgerichtig fallen viele böse Wörter wie „Hure“, „schwuler Schwanz“ oder „Schlampe“. Drogen werden täglich genommen und Körperflüssigkeiten in häufiger Frequenz ausgetauscht, man hat schließlich einen Ruf zu verlieren. An dem arbeitet B-Tight, wie es das Gewerbe erfordert, tapfer und unterstützt von einschlägigen Gaststars wie Frauenarzt und Tony D. Bei seiner Klientel dürfte er trotzdem kaum punkten mit der ständigen Wiederholung des Erwartbaren. Die Fan-Gemeinde braucht, wie alle Süchtigen, immer härteren Stoff, aber der mittlerweile zweifache Vater kommt hier doch vergleichsweise schaumgebremst daher. Das zwiespältige Spiel mit rassistischen Stereotypen bleibt diesmal außen vor und in Tracks wie „Sie will mich“ wird zumindest indirekt anerkannt, dass Frauen doch tatsächlich mehr sein können als bloße Sexobjekte.

Wirkliche Veränderung findet immerhin musikalisch statt: „Goldständer“ verzichtet auf die üblichen brutal stampfenden Beats, wie man sie von früheren Produktionen und Label-Kollegen von Aggro Berlin kennt. Stattdessen eher clubtaugliche Rhythmen, meist technoid und manchmal ravig. Was B-Tight allerdings wirklich fehlt, wäre eine Fortentwicklung.

Eine erstaunliche Wandlung hat dagegen Friedrich Kautz durchlaufen. Der Steglitzer Gymnasiast begann einst im Royal Bunker als Prinz Porno mit pubertärer Großmannssucht, wurde aber mittlerweile zum Prinz Pi, schwor der verbalen Ejakulation ab, stellte sich kürzlich einer Kampagne gegen Aids in Afrika als Aktivist zur Verfügung und verzichtet im neuesten Video sogar auf Baseball-Mütze, Elefantenhose und die anderen Insignien des Rap-Stars.

Mit „Neopunk“ wird der große Wurf avisiert, der Prinz studiert nun Kommunikationsdesign und will nicht mehr nur bloß Rapper sein, sondern offensichtlich Künstler. Also reimt er über durchaus abwechslungsreichen Beats nun ebenso über den Arsch von Britney Spears wie von Bill Gates. In „2030“ blickt er durchaus amüsant in die Zukunft, in „Aschenbecher“ relativ unpeinlich in die eigene Biografie. Das alles ist, vor allem vor dem Hintergrund des aktuell erbärmlichen Zustands des deutschen Raps, tatsächlich durchaus ehrenwert, versehen mit aushaltbarem Wortwitz und strukturiert durch recht gelungene Metrik.

Nun müsste der Prinz eigentlich nur noch lernen, seine Texte nicht immer vorzutragen wie ein stotternder Kühlschrank, dann wäre er sogar ein richtig guter Rapper. THOMAS WINKLER

B-Tight: „Goldständer“ (Aggro Berlin/Universal) heute im Columbia Club

Prinz Pi: „Neopunk“ (No Peanuts/ Universal) live 7. 2. Columbia Club