BERLINER PLATTEN : Housemeister und Data MC rühren technoide Berlinpopcollagen an
Horch, was kommt von draußen rein. Es stampft. Es knallt. Es bollert. Muss wohl der Housemeister sein. Dessen neueste Sammlung an Tanzbodenfüllern trägt den konsenstauglichen Titel „Music Is Awesome“; großartig funktional vor allem. Martin Böhn versteht sich, da fühlt er sich seinem Pseudonym verpflichtet, vor allem als Dienstleister, als Servicekraft hinter den Turntables, als erster Diener der Tanzenden. Der Housemeister ist DJ und der DJ soll die Menschen in Bewegung setzen – mit allen Mitteln. Also fährt der 33-Jährige alle Tricks auf: Die synkopierten Beats des Titelsongs scheinen von den Neptunes geklaut, das hysterische Sequenzer-Geflatter von „Twister“ kennt man allzu gut aus den Neunziger Jahren, die knallig-bunten Synthesizer-Melodien in „Feed The Robots“ bedienen das aktuelle grassierende 80ies-Revival und so ein sexy Schaben wie in „nBAXX“ führt unweigerlich zu Hüftkreisen. Man könnte sagen: Der Housemeister ergeht sich in Beliebigkeit. Man könnte aber auch sagen: Er bemüht sich um Abwechslung. Dabei ist er aber eindeutig eher Punk als Traditionalist, geht lieber simpel auf die Eins als kompliziert hintenrum, und wenn er sich ein experimentelleres Stück wie „The Little Robotmen“ leistet, dann ist das auch nur 42 Sekunden lang. Danach kommt schließlich gleich ein Stück wie „Saverage“, mit einem Rhythmus, der schön geradeaus pumpt und einem anfeuernden Grölen als Taktgeber. So funktioniert schlussendlich jeder Track von „Music Is Awesome“. Es wird nicht lange gefackelt: Lautstärke hoch, Pille rein, Arme in die Höhe.
Auf einer ähnlichen Baustelle ackern Data MC. Auch sie arbeiten am Ausgleich zwischen dem Berghain und dem, seien wir mal bösartig, Ballermann. Das 2004 gegründete Trio sucht auf seinem zweiten Album „Daily Mirror“ nach einem Sound, den die durch die Hauptstadt marodierenden Hostelhorden als typisches Berliner Klangbild identifizieren mögen, ohne den geplagten Easyjetsettern aber gleich das Gefühl zu vermitteln, sie würden am nächsten Morgen mit einem Kater am Strand von Magaluf aufwachen. Dazu rattern die Stücke zwar durchaus plakativ, sparen aber auch nicht an strategisch gestreuten Rhythmustricks und geschickt platzierten Soundabwechslungen. Die reichen von Rap-Einlagen bis zu homöopathischen Dosen Balkan-Beats, von Indie-Pop-Harmonien bis zu Glam-Melodien. So viel Kraut und Rüben rühren Data MC zu einem erstaunlich geschlossenen Klangentwurf zusammen, der auch noch Eleganz und Glamour entwickelt. Konsequenterweise verzichten sie – im Gegensatz zum Housemeister – auf den dramaturgischen Spannungsaufbau der Clubmusik und setzen stattdessen lieber auf die klassische Songstruktur, als wollten sie demnächst auch gleich noch nebenbei die Popcharts erobern. Als Speerspitze auf diesem Weg könnte „Too Young To Die“ dienen: Der Song hat den eingängigen Refrain, den effektiven Rhythmus und vor allem die leicht verständliche und mitsingbare Message, um zur Hymne werden zu können – nicht nur für Berlin-Touristen. THOMAS WINKLER
■ Housemeister: „Music Is Awesome“ (Boysnoize/Wordandsound), live am 28. 5. im X in Potsdam
■ Data MC: „Daily Mirror“ (Eskapaden/Soulfood), am 27. 5. Asphalt, 28. 5. Astra, 12. 6. Rechenzentrum