BERLINER PLATTEN : Liedermacher zwischen Gestrigkeit und Betrübtheit: Mellow Mark und Till The Morninglight haben neue Alben herausgebracht
Der Liedermacher schien zwischenzeitlich vom Aussterben bedroht. Tatsächlich aber haben die Dinosaurier längst Nachwuchs bekommen: Denn auch wenn Mellow Mark eigentlich vom Reggae kommt, war sein Ansatz doch immer eher ein liedhafter, und mit seinem neuen Album „Metropolis“ hat er sich nun weitgehend vom Offbeat verabschiedet. Stattdessen regiert in den Songs des Wahlberliners das Geschrammel der akustischen Gitarre, wenn auch gern unterstützt von Percussion und mitunter sogar untermalt von Streichern. Selbst ein kreischiges Gitarrensolo in „Winter“ kann den Gesamteindruck nicht groß verändern: Hier will einer vor allem etwas mitteilen.
So fasst der 33-jährige Mark Schlumberger auch in Zeiten der großen Koalition weiter tapfer eine irgendwie linksalternative Multikultiidee in mitunter arg naive Reime: „Was wird aus unsern Kindern?“, fragt der gebürtige Bayreuther, der mittlerweile zum sunnitischen Islam konvertiert ist, in „Zahltag“, und im Titelsong apostrophiert er den Untergang des Kapitalismus. Der Internationalismus feiert fröhliche Urständ in „Layla“, wenn ein Latinrhythmus mit afrikanischem Backgroundgesang verschmolzen wird, und in der arg blauäugigen Ode an „Havanna“ gerät selbst die unregelmäßige Wasserversorgung noch zum Anlass romantischer Verklärung: „Du hast Geschichte geschrieben / Und Deine Uhr’n sind steh’n geblieben“. Im Booklet reckt sich dazu eine geballte Faust, aber so viel Gestrigkeit muss man ja schon wieder sympathisch finden. Dieses Land braucht schließlich seine Liedermacher.
Ebenfalls ein Liedermacher, wenn auch lange kein so kämpferischer, ist Till Kober. In den letzten beiden Jahren hat der gelernte Koch, der hauptberuflich in einem italienischen Restaurant arbeitet, versucht Lieder zu schreiben „über Bäume und Chicken Vindaloo, mein Rennrad und die große Stadt“. Das aber hat nicht so recht funktioniert. Stattdessen sind es Songs geworden über die Liebe und die Freundschaft. Die hat er nun unter dem Projektnamen Till The Morninglight aufgenommen mit Unterstützung einer Berliner All-Star-Band aus Musikern, die sonst bei The Say Highs, Bierbeben, Die Türen oder den Pop Tarts beschäftigt sind. So wandelt „Leave Your Home“ nun musikalisch überaus souverän zwischen Melancholie und Schwermut, Kontemplation und Schläfrigkeit, mal im Countrygewand wie in „Let Yourself Go“, mal mit Beatles-Harmonien wie „Grey Turns To White And Blue“. Das alles ist stets sehr besinnlich, und in „You Know How To Bribe The Stars“ lässt sich der Sänger zusätzlich noch von „sanften Wassern“ überfluten.
Nur manchmal, wie etwa in dem tatsächlich wundervollen „Everyday“, hat die durchgehend gedrückte Stimmung einen fast sommerlichen, beschwingten Aspekt. Aber meist meint man den Sänger vor dem Selbstmord retten zu müssen. Dass Kober seine Klagegesänge immer wieder durch einen trockenen Humor bricht, bleibt durch die englischen Texte leider weitgehend verborgen. So aber wird man dafür beim Wegträumen nicht weiter gestört. THOMAS WINKLER
Mellow Mark: „Metropolis“ (Homeground/Groove Attack). Till The Morninglight: „Leave Your Home“ (Staatsakt/Indigo)