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Archiv-Artikel

BERLINER PLATTEN Querbeet-Recycling: Monomango verpoppen Dean Reed und Tiger HiFi dubben sich durch die Popgeschichte

Nun wird die seltsame Lebensgeschichte von Dean Reed, dem Dokumentarfilm „Der rote Elvis“ sei dank, zwanzig Jahre nach seinem Selbstmord doch noch eine gesamtdeutsche Anekdote. Im Film, der detailfreudig die verzwickte Biografie zwischen den Blöcken des Kalten Krieges nachzeichnet, geht allerdings bisweilen verloren, dass Reed doch ein zumindest ganz passabler Songschreiber und Protestsänger war. Filmemacher Leopold Grün hat für den Soundtrack aber nicht nur auf die Originale von Reed zurückgegriffen, sondern auch das Berliner Kollektiv Monomango beauftragt, die ollen, realsozialistischen Kamellen zu modernisieren. Für „Revolucionarios!“ haben Olivier Fröhlich und sein Partner Jan Weber vor allem frühe Stücke von Reed verwendet, die noch aus dessen Zeit in Chile stammen, vor Revolutionsromantik strotzen und von einer naiven Liebe zum Rock ’n’ Roll leben. So bekommen „In The Search of Dean“ oder „Annabelle“ eine flotte neue Abmischung verpasst, die oft den Rhythmus deutlicher herausarbeitet und die Stücke so aufmotzt, dass sie auch in einer Indierock-Disco funktionieren könnten. Diese neuen Versionen sind durchweg gelungen, aber dann begehen Monomango den Fehler, Reed mit möglichst modischen Electro-Beats mit aller Macht ins 21.Jahrhundert zerren zu wollen. Da wird geblubbert und getriggert, Reed auf die Lounge gelegt und seine Stimme schließlich gar mit Hilfe des Samplers in Eigenkompositionen von Weber und Fröhlich verhackstückt. Manchmal kann man dazu tanzen, manchmal könnte man auch Yoga dazu treiben, als Score zum Film hat es womöglich seine Berechtigung, den Songs von Reed gegenüber aber ist es mitunter ganz schön respektlos. Aber mit dem kann man’s ja machen, der ist ja schon lange tot.

Ganz so radikal und respektlos gehen Tiger HiFi nicht mit den Originalen um, allerdings wurden wohl selten zuvor Pop-Hits so konsequent in ein völlig anderes Koordinatensystem gezwungen: Schon der erste Song ihres titellosen Debütalbums ist ein kleiner Schock. Aus „Sunday Bloody Sunday“, U2s eindringlicher Hymne gegen den Bürgerkrieg in Nordirland, wird ein entspannt atmosphärischer Dub-Track voller Delays, abgrundtiefer Bässe und verhallter Flächen. Auch „Connected“ (Stereo MC’s), „Music“ (Madonna) oder „Can’t Keep Running Away“ (Mya) werden in diesem Stil verzögert und gedehnt und verdubbt, bis die Zeit still zu stehen scheint. Dass bei so einer verkifften Angelegenheit natürlich auch „Hashpipe“ von Weezer dran glauben muss, ist Ehrensache. Besonders niedlich anzuhören ist der Versuch, aus dem erratischen „Fuck Forever“ von Babyshambles einen Dub zu machen. Dabei verzichten Tiger HiFi weitgehend auf Samples und spielen alle Songs neu ein. Mit dem Erfolg, dass sie bisweilen kaum wiederzuerkennen, aber dafür allesamt sehr tanzbar sind. Völlig absurd und ziemlich unterhaltsam wird es schließlich, wenn ein Punk-Klassiker wie „London Calling“ (The Clash) oder der nervöse Hardcore von „Waiting Room“ (Fugazi) zum entspannt hoppelnden Reggae umgebaut werden. THOMAS WINKLER

Monomango: „Revolucionarios!“ (Rundlauf Musik/Alive!), Record Release Party am 24. 8. im NBI

Tiger HiFi: „Tiger HiFi“ (Homeground/Island/Universal)