BERLIN - VON KENNERN FÜR KENNER : Weine, die nach Katzenpisse und Unterholz riechen
Bei Vinum in Charlottenburg kämpft Andreas Schiechel gegen „postmoderne US-Winzer“. Er sucht nach Weinen, die „uns fremd“ sind. Teil 7 der taz-Serie über Berliner Weinläden
Überbackener Ziegenfrischkäse mit Anchovis, gekräutertes Roastbeef, Crêpes Suzette und dazu acht Weine von Denis Dubourdieu, einem der weltweit bedeutendsten Önologen. Wenn es Herbst wird, beginnt in der Charlottenburger Weinhandlung Vinum seit Jahren eine lange Reihe ganz besonderer Weinproben. Einfach nur Wein zu verkosten, das wäre Inhaber Andreas Schiechel dann doch zu wenig. Nein, hier, in einer ehemaligen Metzgerei, geht es um das Erschmecken der Harmonie von Speis und Trank. Und um haargenaue Erklärungen, was den Wein zu einem ganz besonderen Getränk macht. So können die Abende dann schon mal zur Nacht werden und bis ein, zwei Uhr dauern. Manche Gäste geben freilich auch schon früher auf.
Bei Andreas Schiechel kann man ziemlich viel über Wein lernen. Schließlich wollte der heute 62-Jährige auch mal Lehrer werden. Doch dann musste er in der Wartezeit vor dem Referendariat Geld verdienen und kam in Kontakt mit einem Weinversandhandel aus Baden-Baden. Damals wusste Schiechel von Wein eigentlich nur, dass es weiße, rote und roséfarbene gibt. Und als ihn bei der Eröffnung seines Ladens am 5. Dezember 1978 ein Kunde nach dem Unterschied zwischen „Medoc“ und „Haut Medoc“ fragte, bot er an, „dieses Thema ein anderes Mal zu besprechen“.
Inzwischen jedoch gilt Schiechel als der Frankreich-Spezialist unter Berlins Weinhändlern. Was auch damit zusammenhängt, dass er Mitte der 80er-Jahre Kontakt zu Önologen bekam, die damals die französische Weißweinwelt revolutionierten. Ihr Zentrum war die Uni von Bordeaux, wo sie erforschten, wie man „das Optimum von Aromen aus den Trauben herausholen kann“. Sauvignon Blanc ist daher Schiechels bevorzugte Rebsorte: „Weine aus ihr können nach Litschi, aber eben auch nach Katzenpisse riechen.“
Rund 650 verschiedene Weine bietet Schiechel heute in seinem Laden in der Danckelmannstraße an. Ein Schwerpunkt liegt bei Produkten aus dem Süden Frankreichs, breit ist aber auch das Angebot aus Spanien und an deutschem Riesling. Vergeblich jedoch sucht man bei Vinum Weine aus der Neuen Welt. Fragt man Schiechel nach den Gründen, sollte man etwas Zeit mitgebracht haben. Denn die „postmodernen“ Weinmacher, die vor allem in Australien und den USA ihr Unwesen treiben, Weine mit Holzspänen und künstlichen Fruchtaromen aufmöbeln und sie allein nach ihrem Gusto formen, können ihn so richtig in Rage bringen. Den Trend, immer süßere, weichere und damit auch „gefälligere“ Weine zu produzieren, sieht er freilich inzwischen auch in Europa angekommen: „Die Demokratisierung des Weinkonsums vereinheitlicht auch den Charakter der Weine.“ Anders ausgedrückt: Früher war Weintrinken elitär, und so mussten sich die Weinmacher nicht dem allgemeinen Geschmack anpassen.
Was Schiechel daher sucht, sind Weine, die „uns zunächst fremd sind“. Weine wie den Clos de Rougemont, Vouvrey 2005, der sich erst beim „zweiten Schluck öffnet“. Gekeltert wird der Loire-Wein aus der eher unbekannten Rebsorte Chenin Blanc. Deren Aromen erinnern eben nicht an „die allseits beliebte Mango, sondern an weiße Blüten, an Pilze, an Unterholz“, sagt Schiechel.
Die Hoffnung, dass er seinen Kunden solche Weine nahebringen kann, hat Schiechel auch nach 30 Jahren im Weinhandel noch nicht ganz aufgegeben. Auch wenn er manchmal wirklich kurz davor steht. Stattdessen lädt er dann doch wieder ein zu einem weiteren Weinseminar.
SABINE HERRE
Die Weinhandlung: Vinum Spezialitätenkontor, Danckelmannstraße 29, 14059 Berlin, U-Bahnhof Sophie-Charlotte-Platz, www.vinumberlin.de, Tel. 3 22 66 19, Öffnungszeiten: Mo.–Fr. 14–19 Uhr, Sa. 10–16 Uhr
Das besondere Angebot: Am kommenden Sonntag können bei der jährlichen Weinmesse des Berliner Weinbunds im Logenhaus in der Emser Straße 12–13 von 14 bis 20 Uhr dreißig Vinum-Weine verkostet werden.
Der Weintipp von Andreas Schiechel: Domaine du Cros, Marcillac 2006, Lo Sang del Pais, 7,95 Euro. „Dieser Rotwein kommt aus dem Südwesten Frankreichs und wird aus der fast nur noch hier vorkommenden lokalen Rebsorte Fer Servadou gekeltert. Es ist ein kühler, also nicht molliger Bergwein, der nach Himbeeren und Erdbeeren duftet, aber auch würzige Noten hat und gut zu Sülze oder frischer Blut- und Leberwurst passt.“
Der nächste Teil der taz-Serie erscheint am Dienstag, den 25. November.