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Archiv-Artikel

BERLIN - VON KENNERN FÜR KENNER Möchten Sie Ihren Kaffee mit Kokosnuss?

Jan Feddersens Gastro-Kritik: Das „Sabah“ ist der Beweis, dass sich der Coffeeshop auch in Neukölln etabliert hat. Tastes like Latte Multikulturello

Es gibt ja immer Gründe, abermals auf dieses angebliche Horrorkonstrukt Neukölln zu sprechen zu kommen. Dass es dort nervöser zugeht als, sagen wir: in Reinicken- und Schmargendorf, ist klar. Muss man einräumen.

Andererseits versucht man dort, Anschluss an die modernen Sitten von Mitte zu gewinnen: Dass ausgerechnet an der Karl-Marx-Straße, nahe dem Richardplatz, der erste berlinische Coffeeshop nach amerikanischem Muster aufmachte, war schon 1999 ein gutes Zeichen. Allerdings merkte man Betreibern damals an, dass sie keine Ahnung vom Viertel hatten. Die Bedienung war eine etwas missmutige Brigade vermutlich früherer Tchibo-Ausschenkerinnen. Zudem war die Ladentür ständig zu. Irgendwann dann der ganze Laden. Zu Recht.

Nun hat sich aber gleich beim Platz der Stadt Hof binnen wenigen Monaten das Sabah etabliert: unter arabisch-deutschsprachiger Führung ist es ein Coffeeshop geworden, der über Gäste nicht klagen kann. Man bietet zwar im Grunde das Übliche, nämlich Kaffee der guten Sorte, espressoartig zubereitet – und zeigt sich extrem freundlich im Umgang mit den Gästen. Das ist zwar immer irgendwie selbstverständlich, muss aber doch notiert werden: Weil es eben für viele Dienstleister nach wie vor nicht im Angebot steht. Jedenfalls warten die Sabah-Leute, fast eine Manie, mit einer Fülle von Sirupzusätzen auf. „Möchten Sie nicht doch Ihren Kaffee mit Vanille oder Kokosnuss?“

Nein danke, und der Besitzer guckt ein wenig enttäuscht: So viel kulturelle Differenz darf bleiben – unsereins trinkt seinen Kaffee vor allem unsüßlich.

Man sitzt also beisammen, darf rauchen, fühlt sich gut aufgehoben in einer typisch neuköllnischen Menschenmischung – und hat ehrlich Respekt für ein gastronomisches Projekt, das durch seine Träger, Einwanderernachkommen eben, die nötige Glaubwürdigkeit verkörpert. Alle Getränke, na klar, zu viertelentsprechenden Preisen – kein „Einstein“-Niveau. Kaffee zum Mitnehmen ist etwas preisgünstiger.

Der Hit ist allerdings eindeutig die heiße Schokolade, die aus echter Milch gerührt und aufgedampft wird, und zwar nicht die der fettarmen Sorte. Lecker süß. Dass man keinesfalls Sahne obenauf wollte, irritiert die Tresenfrau natürlich: Wenn schon Süßes, dann doch bitte konsequent, scheint sie zu denken. Nein, da fügt man lieber selbst etwas Zucker hinzu. Das „Sabah“ hat den besten, wenn auch nicht besonders großen Panoramablick auf das Treiben zwischen Rathaus und Böhmischem Viertel: lohnenswert.

Ein gelber Flyer warb vor Wochen um dieses Café: sah wie eine Billigkopie aus – als handele es sich um ein Start-up, dessen Folgen nicht ganz klar sind. Doch das Profil wird sichtbar: ein grenzüberschreitendes Kaffeehaus. Wurde auch Zeit!

SABAH, Karl-Marx-Straße 104, neben dem Schuhgeschäft Deichmann, Mo. bis Fr. 8 bis 23 Uhr, Sa. 10 bis 23 Uhr, So. 10 bis 22 Uhr; Kaffee, Tee, Schokolade und kleinere Gebäckstücke ab 1,50 Euro