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Archiv-Artikel

BERLIN - VON KENNERN FÜR KENNER Aber bitte mit WLAN

Natalie Tenbergs Gastrokritik: Im Sankt Oberholz ist die Torte so gut, dass man sie durch ganz Mitte tragen möchte. Dazu surft mittiges Publikum

Ich gebe Udo Jürgens die Schuld am schlechten Image der Torte. In einem viel zu bekannten Klassiker tut der Popmusiker ja so, als sei ausgerechnet die Torte der Nagel im Sarg der Zivilisation. Der Hochkalorienverzehrer von Torten („Aber bitte mit Sahne“) sagte aus: Der Konsument ist ein Vielfraß, der seine oder eher die ihre Gelüste nicht im Griff hat, und das dicke Ende kommt sofort.

Mit dieser Verteufelung der Torte ist nun Schluss. Kuchen erobern sich ihren Platz in der Gastroszene und den dazugehörigen Vitrinen zurück. Zum Glück.

Wer diese subversive Rückwanderung in Aktion sehen möchte, dem sei ein Samstagnachmittag im Sankt Oberholz in Berlin-Mitte empfohlen. Eine breite, steile Holztreppe zum ersten Stock und die hohen Decken verleihen dem hellen Eckcafé eine Atmosphäre, als wäre es aus einem bayrischen Dorf in die Hauptstadt verpflanzt worden.

Das Publikum hingegen ist homogen mittig. Junge, mit Bedacht verwahrlost wirkende Menschen, die am Laptop sitzen und auch noch alle den gleichen Rechner dabeihaben: das kleine, weiße Apple-Gerät. Für die Surfer bedauerlich ist nur, dass das Sankt Oberholz ein lautes Café ist. Was dem unvernetzten Gast positiv auffällt, eine gemütliche Geräuschkulisse, stört die Surfer, weshalb sie konzentriert muffig dreinschauen. Aber auch andere Szenen spielen sich hier ab. Neben mir, auf einer langen Bank, liegt ein Baby auf den Kissen und brabbelt vor sich hin. Die Eltern trinken Bier und dreschen Karten. Zwei Männer besprechen eine Inneneinrichtung und fertigen Skizzen an, Paare entspannen sich.

An der Theke, in der auch die etwa zehn verschiedenen Torten ausgestellt sind, bildet sich eine Schlange, denn im Sankt Oberholz herrscht Selbstbedienung. Das ist für so ungeschickte Menschen wie mich schlecht. Trüffeltorte in der einen und Caro-Milchkaffee in der anderen Hand, muss ich mich wieder zurück an meinen Platz kämpfen.

Die Torte aber entschädigt nicht nur, sie ist so gut, dass ich sie, wenn es sein müsste, durch ganz Mitte tragen würde. Nur mächtig ist sie, wer es etwas leichter mag, sollte den frischen, lockeren New York Cheesecake nehmen. Der zergeht auf der Zunge und macht nicht zu satt.

Wenn man im Sankt Oberholz landet, dann sollte man einen guten Gesprächspartner dabeihaben. Die Stimmung hier ist so angenehm entspannt, die Torten sind so hervorragend, dass man lange hier bleiben möchte. Wenn man doch allein aufläuft, dann nicht ohne Rechner und WLAN.

Sankt Oberholz, Rosenthaler Straße 72a, 10119 Berlin-Mitte, Tel. (0 30) 91 20 69 53, www.sanktoberholz.de, U-Bahn Rosenthaler Platz, Mo.–Fr. 8–1 Uhr, Sa./So. 9–1 Uhr, Torte/Kuchen ab 1,70 €, Latte Macchiato 2,50 €, WLAN kostenlos – Passwort an der Theke