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Archiv-Artikel

BEIM WHISKY SOLLTE MAN NICHT „STÖSSCHEN“ SAGEN, UND MÖGLICHERWEISE GIBT ES ZU VIELE KOLUMNEN – UM MAL NICHT VON LAMPEN ZU REDEN Die strippende Krankenschwester, der brütende Verleger

VON MARGARETE STOKOWSKI

Wer heute cool sein will, behauptet gerne mal, dass Electro Swing ja schon wieder durch sei. Nichts ist durch, ihr Pfeifen! Nur wer sich irgendwann am Anfang vor lauter Coolseinwollen eine Überdröhnung Electro Swing gegeben hat, hat es heute über. Pech für die.

Und genau genommen machen die Dirty Honkers, die am Freitag Release-Party im Festsaal Kreuzberg feierten, ja nicht bloß Electro Swing, sondern? Na ja, schwierig. Techno-Saxofon-Boogie-Woogie-Rap-Wumms. Auf der Homepage steht „Swing Tech made in Berlin & Electro Freakshow“. Ja, irgendwie so.

Als wir am Freitagabend zum Festsaal kommen, ist es elf, es ist voll, und es gibt Ginger Beer. Oben im Saal ist eine mit rotem Samt geschmückte Ecke, wo drei Frauen, die „Goldstaubmusen“, mit Glitzer- und Schminktöpfchen stehen. Ich lasse mir ein blaugrünes Schnörkeldings neben das Auge schminken, jetzt hab ich den Style.

Bei Familie Honkers lässt man sich Zeit mit dem Auftritt. Stört keinen. Stefan und ich bleiben oben und gucken den Leuten beim Tanzen zu. Swingtanzende Leute sehen von oben so ganz anders aus als technotanzende Leute. Und dann, irgendwann nach eins, kommen die Honkers. Im Superheldenumhang-Goldglitzer-Latexanzug-Outfit. Die Klamotten wechseln sie im Laufe der Show alle paar Minuten, Sänger Gad Baruch Hinkis steht am Ende im Goldfolien-Schlüpper da. Als Ausgleich dafür, dass Teile der Musik vom Band kommen, gibt es Tänzerinnen, die mal im Glitzerpaillettenkleid tanzen, mal als neonfarbene Aerobicturnerin, mal als strippende Krankenschwester. Statt der Zeile „The walls are cracking in this old house“ singt Hinkis „Everybody’s looking sexy in this old house“. Stimmt. Und am Ende schwitzen alle wie die Schweine und die kalte Luft draußen ist das pure Glück.

Am Samstag verschlafen wir dann das halbe tazlab und kommen erst nachmittags ins Haus der Kulturen der Welt. Liegt aber auch daran, dass wir gar nicht diskutieren wollen oder Vorträge hören, sondern Whisky trinken. Erste Whiskyverkostung meines Lebens. „Taste the Doom“ heißt sie, und im Hintergrund läuft Doom Metal. Immerhin sage ich beim ersten Whisky nicht wie M.: „Mmh, da waren aber die Trauben gut? Oder die Kartoffeln? Oder woraus wird Whisky gemacht?“

Nur dass man beim Whiskytrinken nicht „Stößchen!“ sagt, darüber sind sich alle um mich herum einig. Nur ich nicht. Wir trinken und lernen viel über Gerste und Mais und Irland und Schottland und trinken weiter, sieben Whiskys. Der „Jura Superstition“ schmeckt mir am besten, er ist süß und rauchig zugleich.

Und dann, am Sonntag, ist da diese Schriftstellerparty, der Geburtstag eines Kollegen. Eine Bar im Prenzlauer Berg, alles ist voll mit Autoren und Feuilletonisten und solchen Leuten. Alte Männer, hauptsächlich. „Kolumnen sind eine Sackgasse“, sagt einer, als ich ihm vorgestellt werde. Und dass er schon Milliarden von Kolumnen geschrieben hätte. Und dass es überhaupt zu viele Kolumnen gäbe. Ich frage, ob er sich alt fühlt, mir so etwas zu sagen? Nein. Oder weise vielleicht? Nein? Oder verbittert, ein bisschen? Alles nicht. „Worüber sollen wir sonst reden“, sagt er, „wir könnten auch über Lampen reden.“ Ja, sage ich, es gibt viel zu viele Lampen.

Dafür sagt ein anderer, dass er als Verleger sich am liebsten auf mich draufsetzen würde. Also auf mich als Autorin. Rein beruflich. Auf mich draufsetzen und mich ausbrüten. Ich sage, das wollen viele. Mindestens sieben Leute wollen sich auf mich draufsetzen und mich ausbrüten. Alle drücken sie ihre Ärsche an mich, sozusagen. Und ich werde mir beizeiten den schönsten dieser Ärsche aussuchen. Der Verleger nickt.