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Archiv-Artikel

BEIM KANADIER Ewig röhren die Elche

Ständig wird er von seinen Nachbarn verhöhnt und vergessen

In Zeiten des Völkergedisses droht vor lauter Israelis und Russen eine Spezies ins Hintertreffen zu geraten: der Kanadier. Das liegt daran, dass er seine Spuren geschickt verwischt. Jeden, der ein kariertes Flanellhemd trägt, hält man für einen Holzfäller, ergo Kanadier, denn nur dort fällt Mann noch eigenhändig Holz. Alternativ haut er Elchen den Kopf ab und kloppt ihn sich als rustikale Deko an die Wand. So zu bewundern beim Pizzakanadier im Graefekiez.

Die Tür wird mir von einem Holzfällerhemd mit ironischer Miene der Marke „Komm rein, du Töle, auch schon scheißegal“ aufgehalten. Die Bestellung wird wortlos registriert, der Pizzalappen auf den Tisch geflatscht und auf den Hinweis, man zahle zusammen, gelangweilt mit „Together?“ geantwortet, obwohl das Hemd offensichtlich Deutsch versteht. Es will nur nicht. Deutsch ist nicht hip. Englisch, die Sprache, die dem Hemd in die Wiege gelegt wurde, ist hingegen hip. Brav bestätige ich: „Together“. Das Hemd kassiert ab, kein Wort kommt über seine Lippen, kein Lächeln ziert sein Gesicht. „Zu cool zum Scheißen“, wie man in der südlichen Stadt sagt, aus der ich komme. Und da muss man es wissen.

Nun sind sicher nicht alle Kanadier a priori arrogante Wichser. Sie haben es nur nicht leicht. In einer bekannten US-Sitcom kommt einer vor, der alle paar Folgen sagt „Sorry – da ich aus Kanada bin, ist mir das Konzept ‚Sarkasmus‘ nicht vertraut.“ Aber ich glaube, die Rolle wurde gestrichen. Weil die Figur zu öde war.

Der Kanadier ist der Cem Özdemir der Amis. Humorlos, dröge, provinziell. Ständig wird er von seinen Nachbarn verlacht, verhöhnt und vergessen. Darum muss er weglaufen, ganz weit weg, irgendwohin, wo man bereit ist, ihn cool zu finden, weil er in der Lage ist, seine Muttersprache zu sprechen. Die Insel der Seligen ist gefunden. Der Laden brummt. ULLA ZIEMANN