BEIM HINZUVERDIENST ZU HARTZ IV IST EINE FEINSTEUERUNG NICHT MÖGLICH : Unschuldsvermutung für Kombilöhner
Die Frage „Ist Hartz IV nicht doch zu hoch?“ wurde gestern wieder im Bundestag abgehandelt – und SPD-Arbeitsminister Franz Müntefering lehnte fernsehgerecht jede generelle Kürzung ab. Dabei gerät leicht aus dem Blick, dass Müntefering laut eigener Ansage an einem anderen, wichtigen Detail zu Hartz IV herumfeilen will: der Anrechnung von Erwerbseinkommen auf das Arbeitslosengeld II. Hier liegt der Stoff für eine neue Gerechtigkeitsdebatte in diesem Herbst.
Bisher kann ein Hartz-IV-Empfänger, der nebenbei einen 400-Euro-Job ausübt, davon 160 Euro behalten. Mit seinem Minijob und den Leistungen des Arbeitslosengeldes II kann ein solcher Bezieher daher ein Einkommen von 800 Euro netto erzielen. Genauso viel erhält ein Leiharbeiter, der für einen Bruttostundenlohn von sieben Euro 35 Stunden pro Woche schuftet. Deswegen betonen Sozialpolitiker immer wieder, zu viele Leute hätten sich mit dem „Kombilohn“ aus Hartz IV plus Nebenjob eingerichtet. Müntefering will die Anrechnung des Nebenverdienstes daher wieder verschärfen, obwohl sie erst im vergangenen Oktober gelockert wurde. Auch der Sachverständigenrat fordert eine strengere Anrechnung niedriger Nebeneinkünfte.
Doch damit löste sich keine Verteilungsfrage, sondern es ergeben sich neue Gerechtigkeitsprobleme: Was ist mit der alleinerziehenden Mutter, die Hartz IV bezieht und sich zeitlich nur einen Minijob leisten kann? Was ist mit Arbeitsuchenden, die nur noch 400-Euro-Jobs, aber keine Vollzeitstellen mehr bekommen? Rund 450.000 Hartz-IV-Empfänger haben nebenbei noch einen Minijob. Selbst wenn man pessimistisch davon ausgeht, dass die Hälfte davon eine Vollzeitstelle gar nicht mehr freiwillig annehmen würde, wäre es nicht in Ordnung, deswegen den anderen, den unfreiwilligen Nebenverdienern das Einkommen zu kürzen.
Wenn eine Feinsteuerung, die zwischen beiden Gruppen differenziert, gesetzlich nicht möglich ist, dann muss wie vor Gericht die Unschuldsvermutung gelten. Im Zweifel für die Arbeitslosen. Auch wenn es bequeme „Kombilöhner“ unter ihnen gibt. BARBARA DRIBBUSCH