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Archiv-Artikel

BEI LABOUR REIFT LANGSAM DIE MEINUNG, DASS BLAIR NICHTS MEHR NÜTZT Gelbe Karte für Tony

Ist das der Anfang vom Ende der Ära Blair? Nur seiner übergroßen absoluten Mehrheit im Parlament war es zu verdanken, dass aus der größten Abgeordnetenrevolte in der langen Geschichte des britischen Parlamentarismus keine Abstimmungsniederlage wurde. 121 Labour-Mitglieder des britischen Unterhauses stimmten nach einer emotionsgeladenen Debatte für einen Antrag, wonach die Gründe für einen Militärschlag gegen Irak nicht abschließend bewiesen seien. Insgesamt waren 199 der 659 Parlamentarier dieser Meinung.

Tony Blair hat nun ein Problem. Seit seinem Aufstieg zum Parteichef 1994, auf den die sensationelle Wiedergeburt Labours als Regierungspartei 1997 folgte, galt ein ungeschriebener Pakt zwischen dem Überzeugungsreformer Blair und seiner gegenüber New Labour meist skeptischen Basis: Blair sorgt dafür, dass Labour unangefochten regiert, und dafür lässt die Partei ihn seinen Projekten nachgehen, auch wenn diese mit Labours eigentlicher Identität wenig zu tun haben. Das funktioniert aber nur so lange, wie Blair funktioniert. Grundlage seiner Akzeptanz bei den Wählern ist Labours Machterhalt. Wenn, wie heute, Labours Beliebtheit aufgrund der Irakpolitik des Premierministers in den Umfragen gefährlich sinkt und sich den unterirdischen Sympathiewerten der oppositionellen Konservativen im unteren 30-Prozent-Bereich annähert, dann dürfte in der Partei allmählich die Meinung heranreifen, dass Blair nichts mehr nützt.

Die Stunde der Königsmörder hat deswegen noch lange nicht geschlagen. Erst einmal muss die Bush-Blair-Kriegsstrategie scheitern oder in ein schwieriges Fahrwasser gleiten, sodass die Probleme des Premiers ein Ausmaß annehmen, das ihn überfordert – bisher ist das nicht der Fall. Dann müssen die britischen Wähler bei den Kommunalwahlen am 1. Mai Labour so hart abstrafen, dass der Parteiapparat in den Aufstand tritt – dafür muss die Opposition ein paar Gänge zulegen. Und dann muss ein Schwergewicht wie Finanzminister Gordon Brown, dem seit 1994 Ambitionen auf die Premierministerschaft nachgesagt werden, sich mit einem politischen Angebot positionieren, das sowohl die Labour-Anhängerschaft als auch die breitere Öffentlichkeit besser überzeugt als die bisherige, relativ populäre Politik Blairs – ein solches hat bisher niemand im Angebot.

Das sind drei sehr hohe Hürden. Doch in ihrem Schatten ist garantiert, dass der britischen Innenpolitik bewegte Zeiten bevorstehen. Es hat lange gedauert – aber Blairs Schonfrist ist endlich vorbei.

DOMINIC JOHNSON