BEI GROSSPROJEKTEN MANGELT ES DER POLITIK AN VERNUNFT : Unsinn aus Hamburg
Es ist bemerkenswert, was in der Politik in Deutschland alles geht, wenn sie will. Eine Rollbahn in ein internationales Naturschutzgebiet von Rang? Kein Problem in Hamburg. Den Bannwald weg für eine Erweiterung einer Startbahn? Kein Problem in Frankfurt. Enteignungen en masse in Stuttgart für betriebswirtschaftlich fragwürdige Messegebäude? Aber ja doch, auch im Ländle der Häuslebauer. Wenn Politiker erst einmal ein Großprojekt befürworten, gibt es kein Zurück mehr, jeder Paragraf wird gedehnt, soweit rechtlich erlaubt – und noch weiter. Kosten- und Nutzenanalysen spielen keine Rolle mehr.
Traute hat die Politik allerdings nur bei den Kleinen. Das klingt platt, aber die Beispiele sind leider Legion. Bei Großprojekten werden die Paragrafen hervorgeholt, die im Interesse „der Allgemeinheit“ Eigentums-, Umweltschutz- oder Lärmschutzrechte beschneiden. In anderen Bereichen hingegen – Berufskrankheiten, Auskünfte zu Abwasser, Gesundheit oder Aktienrecht – werden die Gesetze immer schwammiger verfasst – bis Otto Normalverbraucher keine Chance mehr hat, gegen Staat oder Industrie seine Ansprüche durchzusetzen.
Bei dem aktuellen Beispiel aus Hamburg wurde nie wirklich versucht, den dramatischen Eingriff in die Natur abzumildern. Natürlich freut sich auch die Hansestadt über jeden Arbeitsplatz in der boomenden Flugzeugindustrie. Aber selbst die Verwaltungsrichter sahen Möglichkeiten, das Airbuswerk ohne Enteignungen zu betreiben – eine Ohrfeige für die Planer. Sie haben einfach die Vorgaben der Investoren nachgebetet, ohne nachzudenken. Bei Großprojekten ist das leider üblich.
REINER METZGER