BEI DER UNO-REFORM GEHT ES UM MEHR ALS UM SITZE IM SICHERHEITSRAT : Gesucht: Ein neuer Konsens
Der Bericht des Expertenpanels zur Reform der UNO, das Generalsekretär Kofi Annan eingesetzt hat, kann im besten Fall zwei heilsame Wirkungen haben: Erstens könnte die Unfähigkeit selbst dieser 16 Experten, die ja nun gerade nicht von Regierungen entsandt wurden, sich auf ein konkretes Modell zu einigen, zu der Einsicht beitragen, dass der Umbau des Sicherheitsrats mitnichten die vorrangige Aufgabe der UNO-Reform sein sollte. Bei der Reform des Sicherheitsrats geht es um dessen Erweiterung sowie um die Neuverteilung von Privilegien wie Vetorecht und ständige Mitgliedschaft. Doch andere Reformen, die tatsächlich zu einer Stärkung kollektiver Handlungsmöglichkeiten durch die UNO führen würden, sind eigentlich viel dringlicher.
Diese Einsicht wäre besonders in Deutschland wichtig, wo diverse Bundesregierungen – von Schwarz-Gelb bis Rot-Grün – und die meisten Medien nun seit über einem Jahrzehnt die Debatte über die Reform der UNO weitgehend auf die Frage verengen, ob Deutschland einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat erhält.
Zweitens aber könnte die brisante Empfehlung des Panels, das bedingte Recht auf den präventiven Einsatz militärischer Mittel festzuschreiben, endlich eine breite öffentliche Debatte über die Zukunft des Völkerrechts auslösen, die seit den Anschlägen vom 11. 9. 2001 überfällig ist. Denn seitdem findet ein schleichender Prozess der Uminterpretation, Aushöhlung und damit Schwächung des Völkerrechts statt, an dessen Ende durchaus seine Zerstörung stehen könnte.
Etappen dieses Prozesses sind nicht nur völkerrechtswidrige Handlungen wie der angloamerikanische Irakkrieg und die Präventivkriegsdoktrin der Regierungen Bush und Putin. Auch die Resolutionen des Sicherheitsrats in Reaktion auf den 11. September sowie zum Irak seit Ende des Krieges im Mai 2003 sind Teil dieses Prozesses.
Aufhalten und umkehren lässt sich dieser Prozess nur durch eine Neuverständigung und gegebenenfalls Neuformulierung der UNO-Charta und anderer völkerrechtlicher Bestimmungen. Und dies in einem möglichst breiten Konsens unter den 191 UNO-Staaten. ANDREAS ZUMACH