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Archiv-Artikel

BEFREIUNGSAKTION: DIE GEISELN HATTEN VOR ALLEM GLÜCK Irak braucht keine westlichen Märtyrer

Gestern gab es endlich mal eine gute Nachricht aus dem Zweistromland. Nach knapp vier Monaten Geiselhaft wurden drei Friedensaktivisten aus Kanada und Großbritannien befreit. Den Exgeiseln gehe es den Umständen entsprechend gut, hieß es in Bagdad. Noch sind die genauen Umstände der Befreiungsaktion unklar, sie soll jedoch unblutig vonstatten gegangen sein. Auch das ist gut.

Man mag es als Ironie des Schicksals sehen, dass die Friedensaktivisten ausgerechnet von britischen und US-amerikanischen Spezialeinheiten befreit wurden. Denn sie waren ins Zweistromland gekommen, um den alliierten Truppen auf die Finger zu schauen. Das Anliegen der Mitglieder der „Christian Peace Teams“ ist ehrenhaft, keine Frage. Aber so gut gemeint ihr Einsatz auch war, so naiv war er letztlich auch. Den mit ihnen verschleppten Amerikaner Tom Fox haben die Kidnapper brutal ermordet, zuvor haben sie ihn offenbar gefoltert.

Wie die Kidnapper der beiden nach wie vor vermissten Ingenieure aus Leipzig und der US-Journalistin Jill Carroll auf die Befreiungsaktion reagieren werden, lässt sich kaum sagen. Es ist nicht auszuschließen, dass sie Panik erfasst. Ob eine Verhandlungslösung, wie sie die Bundesregierung verfolgt, eher zum Erfolg führt als eine militärische Befreiungsaktion, bleibt ungewiss. Der Hinweis auf Susanne Osthoff hilft nicht: Dass sie nach nur vier Wochen freikam, war vor allem Glück.

Wie Osthoff haben auch die Friedensaktivisten auf ihre guten Verbindungen im Irak gebaut. Alle Warnungen haben sie in den Wind geschlagen. In seinem Blog hatte Tom Fox sein Irak-Engagement mit der Sache von Jesus und Mahatma Ghandi verglichen. Beide starben bekanntermaßen den Märtyrertod. Um die Menschenrechte im Irak steht es schlecht. Unabhängige Beobachter tun angesichts dessen Not. Gefragt sind freilich Organisationen und Personen, die Erfahrung haben, sich in einer Extremsituation zu bewegen, in der sich alle moralischen und politischen Grenzen verschoben haben. Märtyrer aus dem Westen braucht das Zweistromland dabei am allerwenigsten. Tote gibt es auch ohne sie schon jeden Tag genug. INGA ROGG