BEATE SEEL ÜBER ÄGYPTISCHE UNGEWISSHEITEN : Die Machtfrage
Nach der Vorfreude auf dem Tahrir-Platz kam in der Nacht zu Freitag die Ernüchterung. Denn der eine Satz, auf den die Demonstranten gewartet hatten, er fiel einfach nicht. Präsident Husni Mubarak klammert sich weiterhin an seine schwindende Macht. Auch die Tatsache, dass er sich am Freitag von Kairo nach Scharm al-Scheich begab, ändert daran zunächst nichts. Mubarak gibt seine Funktionen scheibchenweise ab, doch viele Scheibchen sind nicht mehr übrig.
Damit stellt sich die Frage, wer in Ägypten die Macht hat. Etwa, wer das „Kommuniqué Nummer zwei“ der Militärführungen mit seinen vagen Ankündigungen umsetzen soll. Vizepräsident Omar Suleiman? Die Regierung? Die Armee selbst? Für Letztere wäre ein Abgang Mubaraks letztendlich das kleinere Übel im Vergleich zu der weitergehenden Forderung der Opposition nach einer Wandlung des gesamten politischen Systems, einem regime change, eben. Eine Ablösung an der Spitze eröffnete ihr zumindest die Möglichkeit, ihre zentrale Stellung in die Nach-Mubarak-Zeit hinüberzuretten. Entscheidend ist jetzt, auf welches politische System sich die Militärs einlassen werden.
Die jüngste Erklärung der Militärführung klingt nach altbekannten Worten von Mubarak – ein friedlicher, geordneter, langsamer Übergang –, Worte, hinter denen sich bislang Versuche der Konsolidierung des Systems verbargen. Doch eins ist klar: Bemühungen, Suleiman, den guten Freund der USA, als Übergangspräsidenten zu installieren, sind obsolet. Nach den kuscheligen Aufnahmen mit Murabak ist er für die Menschen auf dem Tahrir-Platz nicht mehr akzeptabel. Und in Ägypten weiß jeder, dass Suleiman bereits im vergangenen Jahr als ein möglicher Nachfolger für Mubarak gehandelt wurde – ohne regime change, natürlich.
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