BDI-Chef über grünen Ministerpräsidenten: "Das Schreckgespenst kam wieder hoch"
Winfried Kretschmann sei ein sehr vernünftiger Mensch, sagt Hans-Eberhard Koch, BDI-Präsident in Baden-Württemberg. Angst hat er jedoch vor grünen Ideologen in der Landesregierung.
taz: Herr Koch, als am Sonntag das Wahlergebnis bekannt wurde, dachten Sie da: Mein Gott, bitte nicht die Grünen?
Hans-Eberhard Koch: Nein, wir haben mit Rot und Grün ja auch schon vorher gesprochen. Aber ich verrate Ihnen kein Geheimnis, wenn ich sage, dass wir mit Schwarz-Gelb gut zurecht kamen. Den Dialog wollen wir jetzt mit der neuen Regierung fortführen.
Also kein grünes Schreckgespenst für die Wirtschaft?
Die Grünen haben sich im Lauf der Zeit sehr auf die Wirtschaft zubewegt. Ihre Positionen sind immer marktwirtschaftlicher geworden. Bis der Streit um Stuttgart 21 aufkam. Das Projekt ist für uns sehr wichtig. Die Grünen aber waren so radikal dagegen, da kam das Schreckgespenst wieder hoch. Jetzt müssen wir den alten Gesprächsfaden wieder aufnehmen.
Hat Winfried Kretschmann schon bei Ihnen angerufen?
Er war vor der Wahl bei uns in der Firma. Das ist ein sehr vernünftiger Mensch. Ich hoffe allerdings, dass neben ihm nicht doch Ideologen in die Regierung einziehen, die eine extreme Linie fahren.
61, promovierter Wirtschaftswissenschaftler, ist Präsident des Landesverbands der Industrie in Baden-Württemberg. Außerdem ist er Vorsitzender der Witzenmann GmbH in Pforzheim. Die Firma stellt Schläuche für industrielle Anwendungen her.
Was für Ideologen meinen Sie denn?
Es gibt doch nicht nur bei uns Vorbehalte. Auf der anderen Seite ist das genauso: Da gelten wir von der Wirtschaft von vorn herein als die bösen Buben. Inhaltlich bin ich angesichts der Programme, die Grün-Rot gemacht haben, sehr skeptisch. Lauter Versprechen, für die jemand aufkommen muss. Wenn man meint, bei einer so starken Wirtschaft wird die schon zahlen können, dann ist das zu kurz gedacht. Wir schaffen den technologischen Wandel doch auch, ohne nach Subventionen zu schreien. Auf Pump können sie das auch nicht zahlen, dann fehlt dem Staat in Zukunft das Geld für das Kopierpapier.
Der BDI hat davor gewarnt, dass mit weniger AKWs Strom fehlt. Jetzt sind Philippsburg I und Neckarwestheim I vom Netz. Haben Sie sich getäuscht?
Es gibt tatsächlich keine Stromlücke. Wir haben immer gesagt, dass wir Versorgungssicherheit brauchen, also genug Strom, der bezahlbar sein muss. Den brauchen wir vor allem in Baden-Württemberg. Hier sitzen energieintensive Unternehmen aus der Alu-, Papier-, Chemie- oder Stahlindustrie. Da macht der Strom 30 bis 60 Prozent der Produktionskosten aus.
Das klingt nicht gerade nach Energiewende.
Ich sage ganz klar: Wir sind für den Ausbau erneuerbarer Energien. Teilweise sind wir selbst Nutznießer, meine Firma liefert zum Beispiel Teile für die Solarthermie und für Windkraftanlagen. Aber man muss mit einem klaren Konzept vorgehen. Mit einer moderaten Strompreissteigerung rechnen wir übrigens ohnehin.
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