BARR-SCHLAG: Pferdezar und Zimmerer
■ Pferdehändler Schockemöhle will von den verbotenen Praktiken seiner Angestellten nichts gewußt haben.
Berlin (taz) — Wolfgang Erpel vom Deutschen Tierschutz-Bund schäumt: „Wir stellen sofort wieder eine Strafanzeige. Es ist eine Unverschämtheit, was sich dieser Mann erlauben kann. Ich weiß nicht, was noch passieren muß, um dieser Clique, dieser Mafia das Handwerk zu legen.“
Der Zorn des Tierschützers gegen den mächtigsten Mann der deutschen Reiterwelt wird aller Erfahrung nach ein ohnmächtiger bleiben. Schon letztes Jahr zog sich Pferdehändler Paul Schockemöhle geschickt aus dem großen Reiterskandal, als er selbst beim Barren von Pferden gefilmt wurde. Als einzige Konsequenz folgte ein halbherziges Verbot dieser Praktik von der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) und eine Reglementierung der zum „Touchieren“ umbenannten Methode.
Gegen dieses Gesetz haben Angestellte Schockemöhles offenbar erneut verstoßen. Mit Observierungs-Methoden, die gewöhnlich dem Verfassungsschutz zur Ehre gereichen, gelangen „Stern-TV“ kompromittierende Aufnahmen: Zwei Tage vor der Schockemöhlschen PSI-Auktion filmte eine in die Ankumer Reithalle eingeschmuggelte Spezial-Geheimkamera folgendes: Schockemöhle- Nachwuchsreiter Geradus Krijnen setzt über einen Sprung, wohinter ein Mann lauert, der mit einer 33 Pfund schweren Stange dem Pferd auf die Fesseln „zimmert“. Der Mann mit dem Prügel ist wahrscheinlich Schockemöhles Stall- Meister Josef Klapphake („Stern“). Was der Fim zeigt, ist mehr als „Touchieren“: Dies nämlich dürfte Krijnen als Klasse-1- Reiter; doch die Stange ist geächtet: Die darf höchstens zwei Kilogramm wiegen.
Für Paul Schockemöhle, der ein Jahr nach dem Skandal mächtiger im Sattel sitzt denn je, kommt die neuerliche Enthüllung denkbar ungelegen. Seit vergangenem Jahr ließ er seinen Verkaufsstall Fort- Knox-artig bewachen, damit kein unloyales Auge linsen kann. Sein Geschäftspartner Dr. Kaspar Funke macht die Unverfrorenheit skandalgeiler Reporter für die Abschottung verantwortlich: „Da schlichen die zwielichtigsten Leute auf dem Gelände rum, Fotografen und Journalisten, und später fanden wir überall Stacheldraht rumliegen. Das sind dann deren Beweise.“
Noch scheint Schockemöhle ruhig. Immerhin ist nicht er erwischt worden. So versucht er, die Verantwortung abzuwälzen: „Ich war nicht anwesend. Doch ich habe meine Mitarbeiter genau darauf hingewiesen, daß unerlaubte Methoden nicht angewandt werden dürfen, und sie haben mir bestätigt, daß keine unerlaubten Praktiken vorgekommen seien. Wir bewegen uns im erlaubten Rahmen der Regeln der FN. Wir haben unsere Pferde auch touchiert. Wir haben nie behauptet, daß wir unsere Pferde nicht touchieren. Aber das geschah in aller Offenheit und selbstverständlich auch mit dem Wissen unserer Kunden.“ Nur, daß auf dem Film nicht touchiert wurde, sondern gebarrt. Ob sich der Pferdezar mit dieser lapidaren Erklärung aus der Affäre ziehen kann, ist fraglich. In Mühlen, das ist bekannt, passiert rein gar nichts ohne die Einwilligung vom Chef. Eine heimliche Aktion seiner Reiter ist undenkbar.
Spannend wird nun die Reaktion des Verbands. Die FN ist recht eng an Schockemöhles Reiter- und Pferdematerial gebunden. Schon letztes Jahr mußte P.S. keine einzige Sanktion hinnehmen. Diesmal jedoch ist die Rechtslage eine andere: Einem Verstoß müssen Konsequenzen folgen. FN-Präsident Dieter Graf Landsberg-Velen hat „Stern-TV “ aufgefordert, alle vorliegenden Beweise zur Verfügung zu stellen, die ihr „über angeblich neue Barrvergehen im Stall Schockemöhle vorliegen“. Die FN werde diese prüfen und mit den Rechtsmitteln des Verbandes „ohne Ansehen von Personen vorgehen, falls diese Vergehen zweifelsfrei nachzuweisen sind“. Worte, die Tierschützer Erpel nur Hohngelächter entlocken: „Die FN ist zu schwach, um in den eigenen Reihen Ordnung zu schaffen. Die haben doch mehr Angst als sonst was. Wenn sie sich gegen Schockemöhle stellen, nimmt er ihnen einfach die Olympiapferde weg.“ miß
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