BARBARA DRIBBUSCH ÜBER ZEITARBEIT UND VERTRAUEN : Auch die Seele leidet
Vielleicht sind sie ja doch eine einzige Überforderung, die „flexiblen Arbeitsverhältnisse“. Zum Beispiel die Zeitarbeit. Sie wurde in den vergangenen Jahren gerne als Beschäftigungsmotor gepriesen, als Modell für eine neue Geschmeidigkeit auf dem Jobmarkt, die in guter Konjunktur ratzfatz Beschäftigung aufbauen und in schlechten Zeiten wieder verschwinden lässt. Dass das ehemalige Hochlohnland Deutschland in dieser Hinsicht weit vorangegangen ist, ergab jetzt eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung, die hiesige Verhältnisse mit denen in den westlichen Nachbarländern verglich. So ist nirgendwo der Lohnunterschied zwischen Leiharbeitern und regulär Beschäftigten so groß wie hierzulande.
Jeder achte Leiharbeitnehmer muss ergänzende Leistungen aus Hartz IV beantragen, um sich oder auch seine Familie durchzubringen. Wer aber trotz Arbeit „zum Amt“ muss, um Hilfe zu beantragen, der fühlt sich in seiner Integrität verletzt. Dass die Zeitarbeit nicht nur eine materielle, sondern auch eine psychische Diskriminierung bedeutet, lässt sich auch aus einer neuen Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung ableiten. Die Studie befasste sich mit dem Zusammenhang zwischen Einkommen, Arbeitsstatus und dem „Vertrauen“ in die Mitmenschen.
Die Erhebung zeigte, dass Niedrigverdiener im Vergleich zu Hochverdienern nur geringes Vertrauen in ihre Mitmenschen haben. Wer seinen Job verliert, büßt erst recht Vertrauen ein, also soziales Kapital. Wenn diese Korrelation stimmt, dann haben Zeitarbeiter, die beim Lohn und in der Jobsicherheit benachteiligt sind, auch seelisch besonders zu knabbern. Die Entgelte der Zeitarbeiter und deren Beschäftigungssicherheit zu verbessern, wie es die Gewerkschaften anstreben, bedeutet daher nicht einen „Rückschritt“ zu mehr Regulierung und Starrheit, wie die Arbeitgeber anprangern. Sondern den Aufbau von mehr sozialem Kapital. Und das zählt.