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Archiv-Artikel

BAHN-PRIVATISIERUNG: WER PLAUDERT MEHDORNS ZAHLEN AUS? Nervosität vor dem Börsengang

Ohne Hartmut Mehdorn wäre das deutsche Verkehrswesen entschieden langweiliger. Jetzt hat sich der Bahn-Chef mit dem Verkehrsausschuss des Bundestages angelegt: Geheimnisverrat durch einen Mitarbeiter einer Bundestagsfraktion wirft Mehdorn der Politik in einem vergrätzten Schreiben vor. Der nicht genannte Mensch soll vertrauliche Bahn-Finanzdaten an die Medien weitergegeben haben. Und diese, so Medienprofi Mehdorn, hätten die Zahlen natürlich ohne Sachkenntnis, vorsätzlich verzerrt und hart an der Grenze zur Verschwörungstheorie unters Volk geblasen. Gemeint ist damit vor allem ein Artikel in der aktuellen Ausgabe des Wirtschaftsmagazins Capital, der allerdings alles andere als ohne Sachkenntnis daherkommt.

Über die nicht sehr präzise Schmähkritik hinaus scheinen bei der Bahn allerdings die Argumente dünn gesät zu sein. Daher greift sie zur dämlichsten Retourkutsche, die es gibt: zum Anzeigenboykott. Damit blamiert sich die Deutsche Bahn AG wie bisher nur die Lufthansa, die in einem Streit über angeblich zu kritisch-unfaire Berichterstattung 2001 die Bordexemplare der Süddeutschen Zeitung vorübergehend aus ihren Maschinen verbannte.

Natürlich hat auch der Staatskonzern Bahn wie jedes Unternehmen das Recht auf Betriebsgeheimnisse und Vertraulichkeit bei der Behandlung interner Zahlen. Doch Mehdorns Attacke reitet selbst hier ins Leere: Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages mussten sich mit einer in den entscheidenden Teilen geschwärzten Fassung des umstrittenen Gutachtens zur geplanten Bahnprivatisierung zufrieden geben, während Capital ausführlich aus einer „weißen“ Fassung zitiert. Lediglich in einem abgeschotteten Datenraum war das ganze Zahlenwerk zu bewundern.

Wie absurd: Ausgerechnet die vom Volk gewählten obersten KontrolleurInnen der staatseigenen Bahn stehen offenbar unter Generalverdacht. Und das Tauziehen über das Wann und vor allem das Wie des geplanten Bahn-Börsengangs fängt eben erst richtig an. STEFFEN GRIMBERG