Autonomie des Kosovo: "Noch langer Weg zur Unabhängigkeit"
Der Kosovoalbaner Albin Kurti, Kritiker der UNO, glaubt nicht an eine baldige Unabhängigkeit von Serbien. Ihm missfällt, dass internationale Mächte Kosovo künftig kontrollieren.
taz: Sie haben mit Ihrer Bewegung "Selbstbestimmung" zum Boykott der Wahlen im Kosovo aufgerufen und nicht einmal die Hälfte der Wähler hat am letzten Samstag abgestimmt. War das ein Erfolg für Sie?
Albin Kurti: Es gab mehrere Gründe für die hohe Wahlenthaltung. Aber viele Leute haben nicht gewählt, weil sie, wie wir, das politische System nicht akzeptieren. Der von der UN-Mission aufgebaute Staat wird nicht als der eigene begriffen. Es gibt zwar keine offene Diktatur der UN-Mission. Es ist für sie besser, mittels willfähriger kosovarischer Politiker, die wegen ihrer Korruption erpressbar sind, die Interessen der internationalen Gemeinschaft durchzusetzen. Mit unserer Bewegung "Selbstbestimmung" ist es aber unruhig geworden. Deshalb versuchen sie, uns zu isolieren und speziell mich mundtot zu machen.
ALBIN KURTI, 32, gehört zu den profiliertesten politischen Figuren im Kosovo. Er ist Repräsentant der Bewegung "Selbstbestimmung". Der ehemalige Studentenführer war von 1999 bis 2001 in serbischer Haft.
Die UN stellte Sie im vergangenen Februar vor ein Gericht und verurteilte Sie wegen der Organisation einer militanten Demonstration zu Haft und später Hausarrest. War das nicht rechtsstaatlich abgesichert?
Nein. Mein Fall wurde von internationalen Richtern verhandelt. Eigentlich sind die nur zuständig für Kriegsverbrechen und innerethnische Konflikte. Beides trifft auf mich nicht zu. Ich habe kein Recht Einspruch zu erheben oder zu einer übergeordneten Instanz zu gehen.
Aber Sie könnten doch zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gehen.
Nein, die UN-Mission ist nicht europäisch.
Aber bald ist das alles Geschichte. Wahlsieger Hashim Thaçi hat versprochen, nach dem 10. Dezember zu handeln, und US-Präsident Bush sprach von Unabhängigkeit noch in diesem Jahr. Das muss Sie doch freuen?
Nicht so eilig. Unsere Führung wird die Unabhängigkeit nicht ausrufen, solange die internationalen Mächte sie ihr nicht zugestehen. Und George Bush hat selbst die amerikanische Öffentlichkeit belogen, warum sollte er hier nicht lügen?
Selbst EU-Außenpolitiker Javier Solana spricht jetzt von Unabhängigkeit
Das mag alles so aussehen, aber in Wirklichkeit sind wir in einer Sackgasse. Selbst wenn eine EU-Mission die UN ablöste, bleibt es dabei: Kosovo wird von den internationalen Mächten kontrolliert. Wir brauchen aber einen echten Staat, wir wollen einen Sitz Kosovos in der UN, wir wollen Kosovo in die EU bringen und nicht die EU als Beherrscherin in das Kosovo.
Sind Sie gegen die Präsenz internationaler Institutionen im Kosovo?
Nein. Die EU als Nachfolgerin der UN wird zwar nur 2.000 Leute hierher bringen, aber vor allem Richter und Polizisten. Warum das? Wir brauchen Lehrer, weil das Ausbildungsniveau noch zu niedrig ist, wir brauchen Wirtschaftsberater und Investitionen. Wir sollen uns an die Regeln halten, die Serben brauchen dies nicht zu tun. Dort herrscht nach wie vor Belgrad. So gibt es zum Beispiel in den Albanergebieten Straßenschilder auf Serbisch und Albanisch. In den Serbengebieten nur auf Serbisch. Es ist noch ein langer Weg zur wirklichen Unabhängigkeit.
INTERVIEW: ERICH RATHFELDER
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