Ausländerbehörde in der Kritik: Abschiebungen sind Geheimsache
Die Ausländerbehörde versucht Rechtsanwälte bei Abschiebungen mit gezielter Geheimhaltung zu umgehen. Anwaltsverein: Aufforderung zur Rechtsbeugung.
Rechtsanwälte sind bei Abschiebungen Störenfriede. Deshalb versucht die Ausländerbehörde sie kaltzustellen. Bekannt geworden ist die Praxis vergangene Woche durch ein Behördenschreiben im Fall einer 46-jährigen Armenierin. Nun hat die Innenverwaltung auf den Bericht der taz reagiert. Die Fachaufsicht werde das Thema im Februar bei einer Sitzung mit der Ausländerbehörde zur Sprache bringen, so Sprecherin Nicola Rothermel. Die Ausländerbehörde handele rechtmäßig, es gebe aber "Fragezeichen". Was die Ausländerbehörde treibt, sei "fast eine Aufforderung zur Rechtsbeugung," sagt dagegen Ronald Reimann, Mitglied des Arbeitskreises Ausländerecht im Republikanischen Anwaltsverein (RAV).
Für die Armenierin Silwia S. kommt diese Diskussion zu spät. Die 46-jährige Frau ist am Donnerstag abgeschoben worden, obwohl ihr vom Behandlungszentrum für Folteropfer eine schwere posttraumatische Belastungsstörung attestiert worden war. Am 22. Januar hatte die Polizei die Frau aus einem Wohnheim abgeholt und in den Abschiebeknast gebracht. Zwei Tage später saß sie im Flieger nach Eriwan.
Die Information, dass das Abschiebeverfahren in die heiße Phase tritt, war ihrer Rechtanwältin Katja Ponert vorenthalten worden. Mehr noch. Die Ausländerbehörde hatte das Amtsgericht Schöneberg expliziert um Stillschweigen gebeten (taz berichtete). Das Schreiben, in dem die Ausländerbehörde beim Gericht den Antrag auf Sicherungshaft gestellt hatte, datiert vom 11. Januar: "Ich bitte Sie, von der Benachrichtigung der Verfahrensbevollmächtigten abzusehen, weil sonst die Maßnahme gefährdet ist", heißt es wörtlich.
Dieser Passus werde "ab und zu" bei Haftanträgen verwendet, bestätigt Rothermel jetzt. Das seien aber Ausnahmen, "wenn die Durchsetzung der Ausreise mehrfach gescheitert ist". Dass die Betroffenen in ihrem Recht auf anwaltlichen Beistand beschnitten werden, findet die Sprecherin des Innensenators nicht. Die Anwälte würden sofort nach der Festnahme informiert, um an der Anhörung ihrer Mandanten vor dem Haftrichter teilnehmen zu können. Außerdem handele es sich um einen Antrag. "Das Gericht entscheidet."
Im Fall von Silwia S. sah die Praxis allerdings anders aus. Auch als die Festnahme erfolgt war, wurde ihre Anwältin nicht informiert. Dass sie trotzdem beim Anhörungstermin zugegen war, lag daran, dass eine Mitarbeiterin des Heimes zum Telefon gegriffen hatte, als Silwia S. von der Polizei abgeholt wurde. "Sonst hätte ich nichts davon mitbekommen," sagt Katja Ponert. Das Ruder herumreißen konnte sie in so kurzer Zeit allerdings nicht mehr. Die Eile der Ausländerbehörde in dem Fall sei überhaupt nicht zu verstehen, kritisiert Ponert. "Meine Mandantin ist eine alleinstehende schwerkranke Frau und keine Straftäterin."
Anders als in Strafverfahren, wo Anwälte keine Kenntnis von Haftbefehlen bekommen, seien Abschiebeverfahren offene Verfahren, erklärt Ronald Reimann vom RAV. "Die Anwälte müssen über jeden Verfahrensschritt, auch über Haftanträge, informiert werden." Nur so sei ein faires Verfahren gewährleistet. Abschiebungen ohne Einschaltung der Anwälte kannte Reimann bislang nur von Fällen, wo Betroffene direkt von zu Hause zum Flughafen gebracht wurden. "Das ist regelmäßig Praxis." Nicht aber bei vorheriger Inhaftierung. Die Geheimhaltungspolitik der Ausländerbehörde, so Reimann, "ist schon ein starkes Stück".
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