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Ausgehen und rumstehenAnne Waak Die Verworkshoppung des Feierns

Foto: Regentaucher

Auf das Risiko hin, wie ein alter Mensch mit problematischem Konsumverhalten zu klingen – Feiern sah zu meinen Studienzeiten ungefähr wie folgt aus: Gegen 23 Uhr bei irgendwem treffen, wo dann (ja, so hieß das leider) vorgeglüht wurde. Stunden später Aufbruch zum Club, wo wir weiterglühten. Meist gab es irgendwas mit Aperol oder Red Bull, aber Hauptsache, es war viel. Wenn das Geld gerade mal wieder extraknapp war, klauten wir anderen Gästen die leergetrunkenen Gläser und reinvestierten das Pfandgeld in neue Getränke. Oder am Montag in ein neues Sony-Ericsson-Handy, weil das alte schon wieder verloren gegangen war, vielleicht hatte es aber auch irgendwer geklaut, was weiß ich. Am Sonntag erschien ich meistens noch betrunken zu meiner Nachmittagsschicht in einem italienischen Restaurant. Jedes Wochenende war lustiger, chaotischer Stumpfsinn.

Nahezu zwanzig Jahre später gestaltet sich Ausgehen oft so wie am vergangenen Wochenende: Eine Bekannte feiert ihren Geburtstag bei sich zu Hause. Mit einer, Achtung: Kostümparty mit Sexy-Vampir-Motto. Oha. Die Wohnung hat palastartige Dimensionen und eine Sauna. Beginn ist um 11 Uhr am Samstagvormittag, terminiertes Ende zwölf Stunden später. Eintritt gibt es gegen eine Spende an einen Fledermaus-Verein. Geht es noch süßer? Eine Person bittet darum, dass das von ihr gespendete Geld nur für FLINTAmäuse verwendet wird. In der Whatsapp-Gruppe zur Feier wird eine Exceltabelle (!) mit dem Partyprogramm (!!) herumgeschickt. Darin steht, wann welche Band spielt, wann in der Sauna der Knoblauch-Aufguss stattfindet und wo welcher Workshop („Breathwork“, „Beißen und Consent“) gegeben wird. Weil, richtig: Nicht nur haben Partys mittlerweile einen Ablaufplan, der Trend geht zur Verworkshoppung.

Wir treffen uns also kurz nach dem Frühstück/Fitti bei S., der im Drogeriemarkt sehr gewissenhaft kalkige Foundation und blutroten Lippenstift eingekauft hat, und schminken uns untot, kleben Vampirzähne an und setzen weiße Zombie-Kontaktlinsen ein. Aufbruch nach Kreuzberg. Viele der anderen Gäste haben das Vampir-Thema eher großzügig ausgelegt. Da läuft ein Papst rum und ein Priester, eine Frau trägt eine schwarze Ledermaske mit Hundeohren, eine andere hat sich aus Knoblauchzehen und durchsichtigem Klebeband einen Haarkranz gebastelt und bekommt von mir in Gedanken den Preis für die beste Kostümidee. S. bestellt sich einen Wodka, N. und ich halten uns an Wasser. Die Sexyness der Veranstaltung will sich noch nicht so richtig einstellen, das Heißeste weit und breit ist die Sauna. N. friert, also setzen wir uns in die Kabine, mit Kleidern und allem. Weil meine beiden Be­glei­te­r*in­nen auf jeder Party grundsätzlich nur zwei Stunden bleiben, stehlen wir uns bald davon und sind zum Mittagessen wieder zu Hause.

Sexyness will sich nicht so richtig einstellen, das Heißeste weit und breit ist die Sauna

Am Abend veranstaltet R. in seinem Atelier eine seiner Waschmaschinenpartys. Die Gäste sind gehalten, zwischen 20 und 21 Uhr aufzutauchen, Nacheinlass ist nicht (minutiöse Planung!). Zu Beginn gibt es einen Workshop (see?), damit sich alle ein bisschen locker machen und kennenlernen. Die Aufgaben lauten etwa so: Mach der Person neben dir nur mit deinen Augen Komplimente, denk dir einen neuen Namen für sie aus, umarme die Person vor dir und brumme leise. Dann wird das Licht auf ein Minimum gedimmt, und der namensgebende Abschnitt der Waschmaschinenparty beginnt. Details kann ich hier nicht nennen, aber alles mündet in einer Verkleidungsparty mit den Klamotten der anderen Gäste. Es ist das lustigste Spiel, das ich kenne und würde sich gut dazu eignen, einer Firmenfeier oder dem Heiligabend mit der eigenen Familie eine interessante neue Dynamik zu verleihen. Details teile ich gern auf Anfrage mit.

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