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Ausgehen und rumstehen von Ruth Lang FuentesVersöhnung eine ganze Menge Bier später

Die Sonne scheint dämmrig in die Arena Kreuzberg rein und ich tunke wohl zum tausendsten Mal meinen Pinsel in die schwarze Farbe. Bessere die nächste schlecht gestrichene Leiste eines hier rumstehenden Regals aus. Die Halle ist voll von ihnen und wir sind zu zweit. „Wir brauchen jemanden, der die grünen Stellen übermalt“, hatten die Freiwilligen-Koordinatoren der Re:­pu­bli­ca gesagt – der Konferenz zur digitalen Gesellschaft, die wir hier zusammen aufbauen. Dieses Jahr lautet das Motto #Cash. Dass wir die grün durchschimmernden Stellen so gut wie möglich schwärzen sollen, finde ich irgendwie bezeichnend. Das hatte ich so auch in die Runde gesagt, aber niemand hatte gelacht. Also hatte ich nichts weiter gesagt und mich einfach freiwillig gemeldet.

Ich hatte da so eine romantische Vorstellung vom Streichen, die wohl noch aus meiner Kindheit stammte, als ich eine Phase hatte, in der ich Malerin werden wollte. Also so richtig Fassadenmalerin. Die war aber schnell wieder vorbei, nachdem mein Vater meinte: „Du gehst lieber studieren.“ Und mir dann auf Nachfrage erklärte, dass Streichen kein Studium sei. Schade, dachte ich damals. Hinterfragt habe ich erst viel später. Eigentlich erst heute, während meiner Arbeit als „Volunteer“ hier an einem Samstagabend, die mir mit einem Eintrittsbändchen für das Event ausbezahlt wird. #Cash sozusagen.

Schwarz auf Grün also. Es hat etwas Meditatives. Unwillkürlich kommt mir Mr. Miyagis Stimme in den Sinn: „Hoch und runter (immer aus dem Handgelenk).“ Staub hängt in der Luft. Und weder Wasser noch Kaffee noch Ibu lassen die Kopfschmerzen (für die ich nicht ganz unverantwortlich bin) ganz verschwinden. Es fühlt sich etwas wie Nachsitzen an. „Ich glaub, ich geh heut’ nicht mehr tanzen“ klingt AnnenMayKantereit im Hintergrund. Und ich fühle es.

Vor drei Tagen saß ich noch in Madrid, denke ich. Habe mir Kunst im Prado angeschaut, Vermú getrunken und gut gegessen. Jetzt wieder Berlin: Schmutz, Menschen, weggehen, arbeiten, Demos, Döner und Späti-Bier. Und zwischendurch sich darum kümmern, dass man eine Wohnung hat. Und dann ist da noch DFB-Pokalfinale und mein Cousin und Onkel sind aus dem fernen BaWü zu Besuch. Etwas skeptisch gegenüber Berlin sind die beiden noch dazu. Vor allem, was Kreuzberg angeht. Mein Onkel: „Da wollte früher ja wirklich niemand leben.“ Wir hatten sie gestern Abend von der Stadt überzeugen müssen. Und waren im Clash gelandet. Zwei gutgekleidete Juristen mit uns Zecken im linken Punkschuppen? Bier holen und Kippe anzünden, und schon verstehen sich wieder alle. So gut, dass wir erst gegen Morgengrauen Richtung Bett getorkelt waren. So viel Bier später, dass bestimmte Menschen nicht alles hatten bei sich behalten können. Und mir noch jetzt der Schädel brummt.

Irgendwann ist die Streichschicht dann vorbei. Ich hole mir Döner und Konterbier und setze mich an den Kanal. Die Nächte werden wieder länger und wärmer und voller Menschen, die unterwegs sind, um etwas zu erleben. Ja, Berlin ist härter, ­rougher und schmutziger als das schöne, edle Madrid, in dem ich gerade zu Besuch war und mal gelebt habe. Aber gerade in seiner Ungeschminktheit schön, denke ich pathetisch, während ein Dealer „Psst, Marihuana?“ in meine Richtung flüstert.

Irgendwann ist die Streichschicht dann vorbei

Die Worte meines Onkels hallen in mir nach. „Hier gibt’s einfach nicht so viele Verbote. Und jeder macht, was er will, und ist entspannt.“ Ja, wirklich niemand interessiert’s, ob du Dealer, Maler oder Jurist bist. Das ist das Schöne an Berlin. Vor allem, wenn man im Görli rumliegen kann und einem die Sonne auf den Bauch scheint.

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