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Ausgehen und rumstehen von Jens UthoffHauptsache Geburtstag und alle sehen gut aus

Mit sprühenden Funken beginnt das Wochenende. Auf dem Dach des About Blank wird ein Feuerwerk gezündet, ein rot-grün-blaues Leuchtfeuer steigt in den Freitagabendhimmel, durch den Clubgarten weht eine Prise Schwefel. Das About Blank feiert Geburtstag; ob es der 12. oder der 13. Jahrestag ist, darüber ist man sich selbst nicht ganz einig, also heißt das Festivalwochenende „1312 blank street“.

Der Club füllt sich schnell, jungsportliche Jogginghosen- und Trainingsjacken-Antifas sind genauso gekommen wie in dünnes Schwarz gehüllte Ladys mit Undercuts, ergraute Clubber genauso wie normal und langweilig Gekleidete. Ich fürchte, ich zähle zur letzteren Kategorie.

Als Erstes singt der Rattenchor auf der Gartenbühne. Die auftrittsarme Zeit hat der queere Chor sinnvoll genutzt, um einen schwurbelkritischen Song zu dichten („Dieses Schwurbelgelaber/ Ich bin kein Nazi, aber/ Diese Internetspinner/ Es wird immer schlimmer“). Reclaim the Hippietum, mag sich der Rattenchor wohl im gleichen Atemzug gedacht haben, jedenfalls covert er kurz darauf „Jeder Zaun, jede Mauer wird aus Blumen sein“ von keiner Geringeren als Nicole. Aber so schief, wie das bei dem bunten Berliner Kollektiv zuweilen klingt, hört es sich fast schon wieder gut an.

Das Kontrastprogramm gibt es drinnen. Dort spielt die Band Oi!ronie auf hymnischen Punk räudiger Berliner Prägung, wenig innovativ und überraschend unironisch. Dafür aber gibt es zum Schluss einen Mitgrölsong, der das Zeug zur inoffiziellen ostdeutschen Nationalhymne hat: „Bier und Pfeffi“. Ostdeutsch geht es auf der Bühne auch weiter, und zwar mit großem Trash: East German Beauties überzeugen mit Ballerbeats, Elektropunk und Dadaismus, die Songtitel sprechen für sich: „Im Suff zu eskalieren“, „Gescheiterte Prolls“, „8. Mai“.

Einen israelsolidarischen Song hat das Dresdner Duo als Geburtstagsgeschenk auch noch mit im Gepäck („Antigerman Audioporn“). Der letzte Act auf diesem Floor, die Hamburger Band rauchen, klingt zunächst postpunkig-düster, ehe das Konzert immer mehr zu einer Hardcore-Screamo-Orgie wird. Vor allem der Schreigesang von Frontraucherin Nadine bleibt hängen.

Im About Blank schaue ich im Lauf des Wochenendes immer wieder vorbei; am Samstagabend vor allem, um Knarf Rellöm zu sehen. Als ich eintreffe, hat der Hamburger Outsider-Entertainer schon begonnen zu spielen. Funky geht es zu, die Tanzfläche im paradiesisch schönen Garten ist gut gefüllt, alle grooven vor sich hin und hoffen, die Hookline von Knarf Rellöm möge sich bewahrheiten: „Move your ass and your mind will follow“. Rellöm trägt einen knalligen bunten Anzug, der mit dem Schriftzug „NO“ oder „ON“ – je nach Lesart – übersät ist, er gibt dem Publikum in gewohnter Manier ein paar aufmunternde Zeilen mit auf den Weg („Ihr seht gut aus/ wir sehen gut aus“).

Zitatreich geht es zu, einmal stimmt er etwa kurz den Klassiker „Caravan Of Love“ von Isley Jasper Isley an. Der Auftritt ist okay, die Slogans stimmen, nur am Sound hapert es hier und da. Anschließend verquatsche ich mich mit einer netten Wochenendbekanntschaft, die krassestes Berlinerisch/Brandenburgerisch spricht. Muss man sich richtig („rischsch“) konzentrieren beim Zuhören. Der Hochdeutsch-Zug sei abgefahren bei ihr, sagt sie. Macht nüscht, sage ich.

Am Samstagabend geht es noch zu einem zweiten Geburtstag, eine Freundin feiert in einer Bar in Prenzlauer Berg. Als ich gegen halb zwölf ankomme, wird Sixties, Garage und Rock ’n’ Roll gespielt, Menschen in feinen Dresses schwoofen, ich setze mich mit Bier und Schokokuchen an den Rand und schaue dem Treiben zu, während die Musik abrupt von Sixties Richtung Nineties übergeht.

Wieder verquatsche ich mich, eine Partybesucherin und ich stellen fest, dass wir gemeinsame Bekannte haben. Berlin halt. Aber es tut gut, überhaupt mal wieder nette Zufallsbegegnungen zu haben, nach zwei Jahren mit viel Hausarrest.

Zum Glück wird es an diesem Abend nicht allzu spät, kurz nach zwei geht es nach Hause, einen kleinen Schlenker durch den Thälmann-Park inbegriffen. Die Nachtigallen singen, trunken fahre ich mit dem Rad durch die Nacht.

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