Ausgehen und rumstehen von Detlef Kuhlbrodt: Bohnen. Fußball. Tresen. Bohnen. Rauchen
Eigentlich ist das Wochenende schon am Freitagmorgen zu Ende. Als ich um sechs aufwache, denke ich nämlich, es wäre schon Montag. Im Bett halbe Kippen rauchend, stelle ich mir den Tag vor: Ich werde heiß baden, eine halbe Dose Bohnensuppe essen und irgendwann mal rausgehen. Gestern hatte ich nämlich eine Dose Bohnensuppe von Erasco gekauft und sie nur halb gegessen, obwohl sie gut geschmeckt hat. Später realisiere ich, dass die halbe Dose Bohnensuppe leider schlecht geworden ist.
Später kaufe ich mir aus Trotz noch einmal Bohnensuppe und esse eine Hälfte. Sie schmeckt gut und ist nahrhaft. Im Fernseher läuft Fußball, und ich ärgere mich ein bisschen, dass Brasilien gegen Costa Rica gewinnt.
Um fünf Uhr abends dann in den Club39, Fußball in Gesellschaft gucken. Anfangs bin ich der einzige Gast. Weedman steht hinter dem Tresen. Hat er die Seite gewechselt? – Nein, der Chef, ein Indie-Popstar, hat noch andere Dinge zu tun. Wir haben uns lange nicht gesehen und erörtern das Geschehen. Obwohl wir jedes Spiel gesehen haben, kommen wir durcheinander. Wer hatte da noch mal gegen wen gespielt?
Wie so oft denke ich, dass die meisten Spiele falsch rum ausgegangen sind, genieße es aber auch, dass ich diesmal an keiner einzigen WM-Tipprunde teilgenommen habe.
Mit halbem Ohr guckt man Fußball, mit dem anderen redet man, langsam füllt sich der Klub. Die WM-Athmo ist eher unaufgeregt. Während Island ganz okay spielt – so mein Eindruck –, unterhalte ich mich mit einem Nürnberger über Drogen. Er kommt, glaube ich, gar nicht aus Nürnberg, ist aber Nürnberg-Fan und da ich Schalke-Fan bin, sind wir automatisch miteinander befreundet. Er erzählt, wie er bei der Bundeswehr mal Ecstasy genommen hat; ich antworte mit Techno in den 90ern, aber das ist mir jetzt auch zu privat. Und dann bin ich ganz erstaunt, dass Island verloren hat.
Momentweise ist es mir peinlich, dass ich so viel rede, aber ich war in letzter Zeit eigentlich auch kaum in Gesellschaft. Wir sprechen über E-Zigaretten und Verdampfungsgeräte. Irgendwann bemerke ich, dass die anderen gar nicht rauchen. Außer Weedman. Obgleich das Spiel zwischen Serbien und der Schweiz sehr spannend ist, unterhalte ich mich und bekomme das alles gar nicht so mit. Ich erzähle, dass ich mir einen Bluetooth-Lautsprecher gekauft habe, um byte-FM besser hören zu können, und begründe das auch; der Radiomoderator findet byte-FM doof, beziehungsweise sei das Programm ja ganz okay, aber die Moderatoren dort würden die Preise drücken, da sie ja für umsonst arbeiten, und außerdem wäre der byte-FM-Gründer der Einzige, der an dem Sender Geld verdienen würde, und das wäre ungerecht.
Ab und an gibt es Radau im Fernsehen. Mir ist gleich, wer gewinnt; nur ärgere ich mich über diese Gorillaposen der Schweizer Spieler, die da so halb nackt posieren. Ein anderer Tresenfreund sagt, das wäre okay; Fußballer wären eben moderne Gladiatoren.
Am Samstag gibt es die zweite Bohnensuppenhälfte aus der Dose. Weil es kühler geworden ist, ist sie noch gut. M. ruft an und fragt, ob ich Lust hätte, bei ihm das Deutschlandspiel zu gucken. Weil er behindert ist und die Ärzte immer noch um den Erhalt seines Fußes kämpfen, kann er nicht rausgehen. Ich sage, ich bin doch nicht bescheuert, weil sein Fernseher kaum größer ist als DIN A4 und kann mir mein schlechtes Gewissen schenken.
Eigentlich denke ich, dass Deutschland rausfliegt und Neuer, Löw und Angela Merkel zurücktreten. Die Schweden sind pfeilschnell; man schaut mich bedauernd an, als ich daran erinnere, dass die Abwehr mit Höwedes besser war. Alle sind am Ende guter Dinge, weil wir das Fußballspiel gewonnen haben.
Am Sonntag ruh ich mich vor dem Fernseher aus. Wie schön, dass Kawashima immer noch bei Japan im Tor steht. Japan ist seit 2002 meine Lieblingsmannschaft. Und ein paar Jahre hatte ich immer Dr. Kawashimas Gehirnjogging gespielt. Und Dr. Kunter kenn ich noch von früher, als er Torwart bei Eintracht Frankfurt war.
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