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Ausgehen und rumstehen von Aleksandar ZivanovicTaktvollin Wedding

Foto: Archiv

Freitagabend, Kiki Sol, eine sehr lebendige Kneipe im Wedding, es ist voll, Jam Session. Alle paar Minuten kommt jemand mit Gitarrenrucksack oder irgendeinem anderen Instrumentenkoffer hereinspaziert. Im Vorderraum sitzen ein paar Menschen um ein Klavier herum, eine Frau spielt einen Blues, ein Typ mit Hut improvisiert auf der Klarinette herum, ein anderer spielt Gitarre dazu, Yeah! wirft ein Vorbeigehender ein.

Im Hinterzimmer ebenfalls Jam Session: Ungefähr 25 Menschen hören dort Musikerinnen und Musikern auf der kleinen Bühne zu, sie sitzen auf Bänken oder auch auf dem Boden. Eine hat ihren Block mitgebracht, sie sitzt im Schneidersitz und zeichnet den Saxofonspieler. Ständiger Wechsel: Mal kommen neue Musikerinnen oder Musiker hinzu, mal gehen welche von der Bühne ab, werden selbst zum Publikum, nur der Bassist bleibt immer am Bass, er ist heute der Einzige an den dicken Saiten, gemütlich und zufrieden sitzt er auf einem Stuhl.

Dann: neuer Mann hinterm Keyboard! Mit Handtuch im Nacken, so wie Rocky, es ist heiß und schwitzig, er rackert sich einen an den Tasten ab. Neue Frau am Mikro! Sie rappt los und hört nicht mehr auf. Dann: Scheiße, Schlagzeug kaputt, Bassdrum klemmt.

In der Umbaupause schreit plötzlich einer aus dem Publikum „Can we also play?“ Was für eine Frage, es ist Jam Session, logisch, ja klar geht das! Zwei junge Herren in weißen T-Shirts kommen dann mit ihren Gitarren auf die Bühne. Der eine fragt den Bassisten, ob er nicht dessen Stuhl haben könne.

Dieser aber antwortet, das gehe nicht, weil er keinen Umschnallgurt für den Bass habe und nur im Sitzen spielen könne. Die zwei in den weißen Shirts wirken ein wenig irritiert, dem Bassisten sagen sie, dass er ja nun gar nicht zu spielen brauche, weil sie ja jetzt auf der Bühne seien, sie seien „Professionals“ und würden gern ein, zwei Lieder spielen, er könne also ruhig eine kurze Pause einlegen und dann später wieder spielen. Verdutzt schaut der Bassist drein, „Guys, this is a Jam Session!“, er erklärt ihnen dann die Regeln, hier liegt ein Missverständnis vor. Plötzlich: Schlagzeugerin legt los mit einfachem Disco-Rhythmus, zum Glück funktioniert die Bassdrum wieder, der Keyboardspieler spielt dazu Billy-Jean-Akkorde, der Bassist steigt mit ein, einer aus dem Publikum schnappt sich das Mikro, der ganze Raum singt irgendwann: „The Billy Jean is not my Lover!“ Nur die beiden „Professionals“ stehen noch ein wenig verloren rum und tun so, als ob sie ihre Gitarren stimmen müssten. Endakkord Billy Jean, Applaus, Applaus.

Jetzt ist die Zeit der beiden jungen Herren gekommen, sie wollen nun unbedingt spielen, der eine spricht ins Mikro: „Berlin, are you hot?“ Keine Reaktion aus dem Publikum. Frage-Antwort-Spielchen von der Bühne kommt hier nicht so gut an. Ein wenig schüchterner fragt er trotzdem weiter: „Everybody needs somebody to love, rigth?“ Ein Paar, das sich umarmt, antwortet mit: Ja! Und dann fangen sie an, Queen auf Akkustikgitarren zu spielen. Völlig unabgesprochen setzt der Bass mit ein und am Ende singen alle: „Somebody to love!“ Natürlich ist das alles nicht ganz fehlerfrei über die Bühne gegangen, aber dem Publikum hat es großen Spaß gemacht.

Einer aus dem Publikum schnappt sich das Mikro, der ganze Raum singt bald: „The Billy Jean is not my Lover!“

Das Kiki Sol ist eine sympathische Kneipe und für alle, die mal Lust haben, laut zu singen oder ein Instrument zu spielen, die richtige Adresse, denn das kann man hier bei den Jam Sessions machen.

Auf dem Nachhausweg läuft mir ein zerzauster Fuchs über den Weg. Gute Nacht, Wedding.

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