Ausbildung: Psssst, Mutti lernt!
■ Teilzeit-Ausbildung soll möglich sein
Knapp die Hälfte aller Arbeitsverhältnisse sind „Teilzeit“-Verhältnisse, sagt die Statistik. Aber in der Ausbildung galt bisher: Alles oder nichts. Entweder die Azubis kommen den ganzen Tag und das fünf mal in der Woche, oder sie bleiben eben ohne Ausbildung. Das soll sich nun ändern: Wenn Auszubildende und Betrieb sich einig sind, dann können Ausbildungsverhältnisse auch für 75 Prozent der normalen betrieblichen Arbeitszeit abgeschlossen werden. Oder: Statt der üblichen drei werden vier Jahre vereinbart. Der „Bund-Länder-Ausschuss Berufliche Bildung“ der Wirtschaftsministerkonferenz hat Ende März für diese Möglichkeit ein „Eckpunkte“-Papier beschlossen, gestern hat die Handelskammer öffentlich verkündet, dass in Zukunft solche Ausbildungs-Verträge anerkannt und die Azubis zur Prüfung zugelassen werden. Die Leiterin der Zentralstelle Gleichberechtigung der Frau, Ulrike Hauffe, kam in die Handelskammer, um dort zusammen mit Hauptgeschäftsführer Matthias Fonger und Bildungssenator Willi Lemke das Thema öffentlich zu machen.
„Zu viele Jugendliche fallen durch das Raster“, erklärte Lemke, nicht nur in der Schule, auch in der Ausbildung. Es gibt im Lande Bremen knapp 10.000 Ausbildungsverhältnisse, etwa 557 brachen im Jahr 2001 ab. Aus ganz unterschiedlichen Gründen, aber eine „nennenswerte Zahl“ – genauer ist es nicht bekannt – gibt auf wegen der Doppelbelastung als Azubi und Mutter. Mit Erfolg, so berichtete Hauffe, hat das Bildungswerk der Arbeitgeberverbände schulische Ausbildungsgänge für alleinerziehende Mütter angeboten, die „Kauffrau für Unternehmens-Kommunikation“ werden wollen. Groß ist das Interesse an den knappen Plätzen, groß auch der Vermittlungserfolg nach der Ausbildung. Die Azubis, Mütter im Alter von 20 bis 25 Jahren, haben meist mehr Lebenserfahrung und ein qualifiziertes Interesse an ihrer Ausbildung, erklärt Hauffe diesen Erfolg.
Und im Dienstleistungsbereich fällt es den Betrieben leichter, Teilzeit-Ausbildungsverhältnisse anzubieten, fügte Fonger hinzu. Eine Lektion „Tele-Learning“ kann man eben auch mal zwischendurch zu Hause absolvieren.
Wie groß der „Bedarf“ an dualen Teilzeit-Ausbildungsplätzen ist, scheint kaum vorhersehbar. Wie groß die Bereitschaft der Betriebe ist, wird sich ebenfalls herausstellen müssen. Bisher war das so undenkbar, dass es auch keine Anfragen bei der Handelskammer gegeben hat. Ein Modellversuch in Hessen hat aber gezeigt: Wenn sich herumspricht, dass Teilzeit-Ausbildung möglich ist, dann artikuliere sich der Bedarf sehr schnell, sagt Ulrike Hauffe. Entscheidend ist, so Fonger, dass der Ausbildungsbetrieb das auch will. K.W.
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