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■ Aus dem RedaktionstagebuchWas wird aus dem Wahrheit-Klub?

26. September – Wer dieser Tage die Tür zur Wahrheit-Redaktion öffnet, dem bietet sich ein grauenerregendes Bild: Zwischen zerknüllten Papieren, pelzbezogenen Kaffeetassen, überquellenden Aschenbechern und meterhoch gestapelten Reiseprospekten hängen zwei Redakteurinnen und ein Zeichner in ihren Stühlen.

Frisch und ausgeschlafen sehen sie aus; ihre Haare sind gekämmt, und der Zeichner ist sogar rasiert. „... sowie die Unterschrift des Erziehungsberechtigten“, beendet Wahrheit-Redakteurin Carola Rönneburg soeben ihren dreistündigen Vortrag „Klubgründungen in Europa unter besonderer Berücksichtigung des Mittelalters“, während Zeichner Tom in aller Ruhe einen Entwurf aufißt. Was geht hier vor?

27. September – Bis zum 5. Oktober, fertigt Kollegin Barbara Häusler alle besorgten Fragesteller ab, sei „noch jede Menge Zeit.“ Dann aber werde der Wahrheit- Klub gegründet, „komme, was wolle“. Bedenklich stimmt jedoch, daß die Redaktion der Wahrheit „eine völlig neue, bisher nie dagewesene und rechtlich unangreifbare Satzung“ für den Klub formulieren will und dafür den Hausanwalt der taz an einem geheimen Ort festhält. Was, wenn der dringend in anderen Angelegenheiten eingeschaltet werden muß?

28. September – Kaum zu glauben: In einem Akt übermenschlicher Anstrengung ist es den Wahrheit-Redakteurinnen Carola Rönneburg und Barbara Häusler sowie dem Zeichner Tom gelungen, sich selbst zu Vorstandsmitgliedern des Wahrheit-Klubs zu ernennen. Vorausgegangen war eine erbitterte Debatte um das Fugen-s, in die das gesamte Haus einbezogen wurde und die die endgültige Spaltung der taz-Redaktion zur Folge hatte: Muß es Wahrheits-Klub heißen oder Wahrheit-Klub? Während diverse Kollegen am Nachmittag noch Faustkämpfe austrugen oder sich „Schere-Stein-Papier“-Gefechte lieferten, ist sich die Wahrheit längst einig geworden. In ihrer Euphorie vergaß sie allerdings, dem Rest der Belegschaft ihre Entscheidung mitzuteilen. „Es heißt Sportsfreund, aber Sportseite“, wird Carola Rönneburg am Abend zuckersüß erklären. Zeichner Tom hat zu diesem Zeitpunkt schon drei neue Entwürfe in kleinen Portionen zu sich genommen. Aus der Korrektur sind immer noch Schüsse zu hören. Trotzdem soll der Wahrheit-Klub am 5. Oktober gegründet werden. Um zwölf Uhr Mittag, auf der Frankfurter Buchmesse.

29. September – Gemeinsam mit Zeichner Tom hat man heute bei einem ausgedehnten Abendessen schon einmal ausprobiert, wie sich die Anrede „Herr Vorstand“ bzw. „Frau Vorstand“ macht. Mehrfach. Ob diese Pfeifen tatsächlich in fünf Tagen die ersten Mitgliedsausweise an die Leser der Wahrheit ausgeben werden, scheint mehr als fraglich.

30. September – Auf der Redaktionskonferenz haben die Klubgründer einen denkbar schlechten Eindruck hinterlassen – nicht zuletzt deshalb, weil Zeichner Tom im Tran den Produktionsplan verspeist hat. Das sei „keine Absicht gewesen“, entschuldigte er sich. Er habe sich auch schon über das Format gewundert, wo doch der Mitgliedsausweis viel kleiner sein müßte als...

Die angeblichen Klubgründer haben eine Pressekonferenz vorbereitet. Wo soll das nur enden? Und warum sollen „Vertreter aller Medien, insbesondere die Korrespondenten der asiatischen Presse“ (Barbara Häusler), geladen werden? Übertreibt die Wahrheit-Redaktion nicht langsam ein wenig? Und vor allem: Wer hat – auf taz-Briefpapier – die Frankfurter Buchmesse aufgefordert, in diesem Jahr eine Woche später anzufangen?

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